Sigmar Polke ganz groß im MoMA
19. April 2014Ob Stoff, Glas oder etwa Luftpolsterfolie - Sigmar Polke bemalte einfach alles. Auch Filme, Collagen, Zeichnungen und Skulpturen gehören zum Werk des Multitalents, das sich mit anscheinend grenzenloser Kreativität, radikalem Zweifel und immer auch einer großen Portion Humor zu einem der bedeutendsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit entwickelte. "Er war mehr als ein großartiger Künstler", sagt Kuratorin Kathy Halbreich vom New Yorker Museum of Modern Art (MoMA), das Polke vier Jahre nach seinem Tod nun die bislang größte Retrospektive widmet. Die trägt den Titel: "Alibis: Sigmar Polke 1963 - 2010".
Fast ein Jahrzehnt lang ist die Ausstellung, die von diesem Samstag an in dem renommierten Museum zu sehen ist und nach dem Ende am 3. August noch nach London und ins Kölner Museum Ludwig weiterzieht, im Kopf von Halbreich gereift. "Es fing damit an, dass ich dachte, dass er ein großartiger Künstler ist, der es verdient, bekannter und besser verstanden zu werden." Auch in Deutschland steht Polkes Werk bis heute immer ein wenig im Schatten unter anderem von dem seines Kollegen Gerhard Richter. Das Mammutprojekt von Kuratorin Halbreich vereint nun erstmals alle Kunstformen Polkes in einer Ausstellung.
Polke plante mit
Bei einem Besuch in der niederrheinischen Heimat des Künstlers, zwei Jahre vor seinem Tod, holte sie sich dafür seine Zustimmung. Polke war noch aktiv in die Planung der Ausstellung eingebunden, bis er dann im Juni 2010 im Alter von 69 Jahren an Krebs starb. Einen letzten Wunsch konnte ihm Kuratorin Halbreich nicht erfüllen: "Er wollte auf keinen Fall eine chronologische Ausstellung. Aber wir haben keinen anderen Weg gefunden." Mehr als 250 Werke hat das MoMA aus der ganzen Welt zusammengetragen. Darunter sind Meisterwerke und Skizzen, Bekanntes - das "Kartoffelhaus" und das Bild mit der Aufschrift "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!" - wie Unbekanntes, Leichtes und Humorvolles und tiefsinnig Kritisches.
Immer wieder beschäftigte sich der 1941 im heutigen Polen geborene und später aus der DDR nach Westdeutschland geflohene Polke mit der deutschen Geschichte, die er so schmerzvoll selbst miterlebte. Gegenüber Autoritäten aller Art blieb er Zeit seines Lebens kritisch. Die Wachtürme beispielsweise, die er immer wieder malte, erinnern an die innerdeutsche Grenze und die Konzentrationslager der Nazis gleichermaßen. "Polke war ein universeller Künstler", sagt Kuratorin Halbreich. "Aber seine Wurzeln sitzen tief in einer vergifteten Seele."
sti/SC (dpa)