Anschlag Keupstraße: Kein Recht auf Erinnern?
27. Juni 2019Deutsche Welle: 15 Jahre nach dem Nagelbombenanschlag soll ihr Mahnmal an die Opfer erinnern. Wie gelingt Ihnen das?
Ulf Aminde: Im Moment habe ich den Eindruck, dass den Betroffenen das Erinnern an den Anschlag und vor allem das Recht auf Erinnerung verwehrt wird. Wir sind in Verhandlungen mit der Stadt und mit dem Investor, dem das Gelände gehört. Und wir haben den Eindruck, dass da nicht mit Hochdruck versucht wird, das Mahnmal und das damit verbundene Recht auf Erinnerung umzusetzen.
Lassen Sie uns einen Blick auf ihren Entwurf werfen. Mit welchen Mitteln arbeiten Sie, was ist ihre Idee?
Der Ansatz dieses Mahnmals und dieses Gedenkortes ist ein zweifacher. Da ist zunächst eine 6 mal 24 Meter große Bodenplatte aus Beton, die exakt dieselbe Größe hat wie das Fundaments des Hauses, das von der Nagelbombe angegriffen wurde. Diese Bodenplatte soll an den Eingang der Keupstraße gestellt werden. Dann kommt eine App hinzu, die per WLAN aufs Handy runtergeladen werden kann. Mit dieser App und mit Hilfe von Augmented Reality entstehen entlang dieser Bodenplatte plötzlich auf dem Handy virtuelle Wände, die in die Höhe wachsen und ein virtuelles Haus beschreiben.
Auf diesen Hauswänden können Filme aktiviert und auf dem Handy angeschaut werden. Sie zeigen die Perspektive der Migration und auch der Rassismus-Erfahrung. Wir erhellen so den historischen Kontext, in dem der NSU seine Anschläge und seine Morde verüben konnte. Auch beleuchten wir das politisches Klima und die Geschichte der rassistischen Gewalt, in die der Bombenanschlag fällt.
Alle sind eingeladen, sich daran zu beteiligen und Filme zu produzieren, die von allen gesehen werden können - betroffene Anwohner aus dem Viertel ebenso wie Schüler oder Studierende. Das ist eine ganz wichtige Idee dieses Mahnmals. Daraus entsteht ein kritisches Archiv des migrantischen Widerstands. Einerseits beschäftigt sich das Mahnmal also mit dem konkreten Bombenanschlag in der Keupstraße. Zugleich ist das Mahnmal eine Erinnerung an die rassistischen Strukturen in unserer Gesellschaft.
Wie sehr besorgt Sie der Rechtsextremismus in dieser Gesellschaft?
Das ist ein extrem großes Problem. Und jetzt spitzt es sich zu, die Nachrichten sind voll davon. Das größte Problem aber besteht in dem strukturellen Rassismus, der Teil der deutschen Gesellschaft ist. Das hat sich gezeigt in der Art und Weise, wie gegen die Betroffenen ermittelt wurde - gegen die Opfer des NSU, gegen die Familien, die Angehörigen. Der Rassismus zeigte sich in der Art und Weise, wie sich Polizei und Behörden verhalten haben und wie auch der Verfassungsschutz in viele der Taten verstrickt war - und sich nach wie vor weigert, das offenzulegen.
Jetzt steht Ihr Mahnmal - zumindest im Entwurf. Aber die Stadt Köln kann nicht über das Grundstück verfügen. Haben Sie die Lösung?
Statt zu sagen, "es gilt das hohe Gut des Privateigentums zu bewahren", sollten wir die "Herz-an der richtigen-Stelle-Perspektive" einnehmen und sagen: Natürlich ist die einzige Lösung, dass das Mahnmal an den Eingang der Keupstraße gestellt wird. Ich fände es großartig, wenn die Stadt sich mit den Investoren an einen Tisch setzen und schauen würde: Was können wir machen, um die Ecke für das Mahnmal freizuhalten? Gäbe es eine andere Fläche, die wir im Austausch anbieten könnten? Darüber in Verhandlung zu kommen, das muss doch möglich sein.
Das Gespräch führte Stefan Dege.
Ab dem 28. Juni zeigt das Museum Ludwig in Köln Ulf Amindes Mahnmal-Entwurf. Die Ausstellung geht bis zum 28. Juli und präsentiert das Mahnmal in einem Maßstab von 1:10.