Kampf der Krake
1. Oktober 2007Es klingt fast schon resignativ, wenn die große alte Dame des Anti-Mafia-Kampfes über die heutigen Verhältnisse in Süditalien und vor allem in Sizilien spricht, so als wäre ihr 30-jähriger Kampf gegen die Mafia mit nichts als einer alten Leica-Kamera, ein paar Schwarz-Weiß-Filmen und einem wachen und immer empörtem menschlichen Blick auf die Realitäten in ihrer Stadt Palermo vergebens gewesen. "Das Parlament Siziliens besteht heute zu 40 Prozent aus angeklagten oder verurteilten Mafiosi", sagt Battaglia. "Wie kann man damit leben? Wie kann man dabei vertrauen in die Verwaltung und den Rechtsstaat entwickeln? Die Leute geben langsam auf und resignieren."
Fotos und Fanale
Anfang der 1990er Jahre, zu Zeiten der Mani-Pulite-Anklagen der Staatsanwälte um Antonio Di Pietro in Mailand und der intensiven Anti-Mafia-Ermittlungen um den später ermordeten Richter Giovanni Falcone, sah das noch anders aus: In diesen Jahren war Battaglia Stadträtin für Lebensqualität in Palermo. Sie schuf die erste nennenswerte Kulturförderung der Stadt, baute eine Promenade mit Bäumen am Meer, wo zuvor Müll abgeladen wurde und stellte Bänke auf kleinen Plätzen auf.
Ihre Popularität hatte die dreifache Mutter und geschiedene Ehefrau sich unter Einsatz ihres Lebens in jahrelangem Kampf gegen die Mafia erarbeitet. Als Reporterin für verschiedene linke Tageszeitungen hörte sie den Polizeifunk in Palermo ab, fuhr zu den Tatorten hunderter Mafia-Morde, fotografierte. Später ließ sie von ihren Fotos auf eigene Kosten Plakate drucken und klebte sie in Nacht-und-Nebel-Aktionen an Häusermauern und auf leere Plakatwände. Ihre Art, der ehrenwerten Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.
In ihrem Fotoarchiv, das aus Sicherheitsgründen nach Paris ausgelagert ist, finden sich Bilder einer von der Mafia durchseuchten Kultur. Kinder im Alter von zehn bis zwölf Jahren, die mit echten Pistolen die Gestik und Mimik der Mafiosi nachzuspielen scheinen. Stille Bilder von umgesunkenen Menschen auf heimeligen Sofas vor laufendem Fernseher unter Fußball- oder Pirelli-Kalendern. Liegende Körper in Trenchcoat oder Anzug auf einer Tiefgarageneinfahrt. In ihren Kleidern kleine Löcher, unter ihren Körpern die dunkle Lache ihres Blutes. Alltägliche Mordopfer. Doch es sind niemals Paparazzi- oder Sensationsfotografien.
Grausam in Schwarz-weiß
Battaglias Blick hält nicht drauf. Sie schafft Abstand durch ihre Farbwahl in Schwarz-Weiß, und öffnet den Blick für die ganze Alltäglichkeit der Umstände, in denen auf Sizilien diese Grausamkeiten verübt werden können. Damit erreichen ihre Fotos menschliche und künstlerische Qualität, meint der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck. "Das sind Dokumente tiefster Erniedrigung", sagt Battaglias Freund und Förderer. "Für mich schwebt über all diesen Fotos eine tiefe Trauer über das Versagen von Zivilgesellschaft. Vom Versagen, dass die große italienische Kultur ein Phänomen wie die Mafia hervorbringt, wo das Leben einzelner gar nichts mehr gilt."
Das Battaglia nun den renommiertesten deutschen Fotografiepreis auf dem 2. internationalen Fotofestival in Mannheim/Ludwigshafen/Heidelberg überreicht bekam (30.09.2007) und ihre Fotografien prominent ausgestellt werden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn in Italien ist sie aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit fast vollständig verschwunden. Nach der Machtübernahme Berlusconis und einer allgemeinen Resignation im Kampf gegen Korruption und Mafia druckte keine Zeitung ihre Bilder mehr, sagt sie. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus und andere Probleme haben die Mafia aus dem Fokus des öffentlichen Interesses verdrängt. Zudem sind die Morde seltener geworden, weil sich die die Mafia nun mehr auf ihre europäische Ausbreitung konzentriere.
Kokain, Kunst, Killer
Battaglia hört aber nicht auf, vor der Krake zu warnen. Die Mafia sei elegant geworden, sagt die Fotografin. Ihre Drogen, das Kokain, das Heroin werde heute auf den Partys der reichen Bürger gereicht. "Die Kinder der Mafiosi studieren heute in Deutschland oder in der Schweiz oder England. Es gibt sogar einige, die sich um die Kultur kümmern", sagt die Fotografin. "Sie geben Bücher über antike Kunst heraus, aber es sind immer noch Mafiosi. Es sind die Kinder von Mördern, von Killern und Drogenhändlern. Es sind die Mörder von Menschen und von unserer Kultur."