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Politik

Macron und kein Ende?

Helena Kaschel
12. Juni 2017

Mit seinem klaren Sieg in der ersten Runde der Parlamentswahl hat Emmanuel Macron das französische Parteiensystem gründlich umgekrempelt - vorerst. Denn die abgeschlagenen Volksparteien könnten sich bald wieder erholen.

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Frankreich | Parlamentswahlen - Präsident Emmanuel Macron beim Verlassen des Wahllokals
Bild: picture-alliance/abaca/E. Blondet

Sein Siegeszug scheint unaufhaltbar: Emmanuel Macron, vor einem knappen Monat in den Élysée-Palast eingezogen, kann am kommenden Sonntag mit einer satten Mehrheit seiner sozialliberalen Partei La République en Marche und ihren Verbündeten im Parlament rechnen. Die Republikaner und der Front National mussten im ersten Wahlgang Rückschläge hinnehmen, für die Sozialisten wurde die Abstimmung zum Debakel.

Das System scheint aus den Fugen, altbekannte Mehrheitskonstellationen Schnee von gestern, die politischen Kategorien "Rechts" und "Links" gar anachronistisch. Sollte das Bündnis um "La République en Marche" am Ende tatsächlich auf bis zu 455 der 577 Sitze in der Nationalversammlung kommen, wäre es eine größten parlamentarischen Mehrheiten in der Geschichte Frankreichs seit der Gründung der Fünften Republik im Jahr 1958.

"Einzigartig und absolut bemerkenswert"

Klar ist: Macrons scheinbar unaufhaltsamer Höhenflug hat viel mit den Versäumnissen seiner Vorgänger zu tun. Eine hohe Arbeitslosenquote und die Bedrohung durch den Terrorismus drücken auf die Stimmung im Land. Hinzu kommt ein massives Misstrauen gegenüber dem politischen Personal. "Der Wahlsieg eines Politikers, den vor drei Jahren niemand kannte, der nie zuvor in ein Amt gewählt wurde und keine Parteibasis hat, ist Ausdruck einer ausgeprägten Repräsentationskrise und des tiefen Misskredits der politischen Elite Frankreichs", sagte der Politikwissenschaftler Joachim Schild Anfang Mai dem "Trierischen Volksfreund".

Dass ein neu gewählter Präsident bei der Parlamentswahl ausreichend Stimmen für eine absolute Mehrheit bekommt, ist nichts Neues. Seit einer Verfassungsänderung im Jahr 2000 ist das allen Präsidenten gelungen, zuletzt dem Sozialisten François Hollande. Auch die Gründung der Bewegung En Marche war zunächst nichts Außergewöhnliches: Neugründungen, Abspaltungen und Namensänderungen sind in der französischen Parteienlandschaft üblich.

Parlamentswahl in Frankreich 2017 Jubel bei der Partei En Marche Macron
La République en Marche jubelt - aber können die vielen Polit-Amateure in Macrons Lager nachhaltig etwas verändern?Bild: picture-alliance/Ap Photo/T. Camus

Und doch ist der Erfolg von La République en Marche in zweierlei Hinsicht einmalig. "Was es vor Macron noch nie gegeben hat, ist eine lagerübergreifende Regierung mit einem Präsidenten, der sagt, er möchte mit Rechten und Linken zusammenarbeiten", sagt die Politikwissenschaftlerin Eileen Keller vom Deutsch-französischen Institut. Auch, dass jemand "mit so einem wahnsinnigen Erfolg zuerst das Präsidentenamt für sich einnimmt und dann auch noch so eine große Mehrheit in der Nationalversammlung bekommt, ist in der Kürze der Zeit einzigartig und absolut bemerkenswert."

Das Blatt kann sich schnell wieder wenden

Mit Macron könnte künftig in Frankreich eine stärkere Mitte entstehen, die in beide Richtungen koalitionsfähig ist. Ob der Erfolg des 39-jährigen Pro-Europäers das politische System nachhaltig prägen wird, ist jedoch völlig unklar, denn das Wahlrecht in Frankreich begünstigt Lagerbildung und damit große und wechselnde Mehrheiten: Kleine Parteien haben alleine kaum Chancen, ins Parlament einzuziehen, können erfolgreichen Parteien aber zu stabilen Mehrheiten verhelfen.

Eileen Keller
Durch Macrons Erfolg könnte sich ein neues Lager im Zentrum etablieren, sagt Politologin Eileen KellerBild: Deutsch-französisches Institut

"Es gibt gute Gründe zu glauben, dass sich die Parteienlandschaft weiterentwickelt, auch als Reaktion auf den neuen Block En Marche", erklärt Keller. Die überwältigende Mehrheit von Macron könnte sich in fünf Jahren wieder in Luft auflösen - zumal sie bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung auf nur 15 Prozent der Wahlberechtigten beruht: Niemand kann genau sagen, wie groß der Rückhalt für Macrons Reformpläne in der Bevölkerung tatsächlich ist.

Zudem müsse man abwarten, wie sich das Macron-Lager als Parlamentsmehrheit verhalte. "Das sind alles neue Gesichter. Wir wissen nicht, wie diese Leute ihr politisches Amt ausfüllen werden. Wir wissen nicht, wie weit sie auch bereit sind intern auf Distanz zu Macron und seiner Linie zu gehen."

Geschwächt, aber nicht am Ende

Zweifelsfrei sind die etablierten Parteien nach der Schlappe vom Wochenende geschwächt - denn mit Abgeordnetenmandaten sind nicht zuletzt auch finanzielle Zuwendungen verbunden. Aber gerade die Republikaner hätten noch eine solide Basis, so Keller. "Für die Sozialisten sieht es etwas desolater aus, die müssen jetzt erst einmal ums Überleben kämpfen. Aber auch das kann wieder kippen, wenn ein Teil von Macrons Riesenmehrheit wegbricht oder sich umorientiert."

Während das linke Lager durch Jean-Luc Mélenchon mit Zersplitterung zu kämpfen hat, sind die Konservativen zweigeteilt: Die Einen sind zu Macron übergelaufen, die anderen behalten sich vor, als konstruktive Opposition bestimmten Projekten des Präsidenten entgegenzutreten.

Und der Front National? Marine Le Pen konnte an ihren Erfolg in der Präsidentschaftswahl nicht anknüpfen und am Sonntag nur wenige Anhänger mobilisieren. "Ich glaube, da ist die Dynamik im Moment komplett verloren und Le Pens Position ein Stück weit angekratzt", sagt Keller. Es sehe so aus, als müsse sich der Front National nun erst einmal sammeln. "Meine Vermutung ist, dass die Partei die Politik in den nächsten Wochen und Monaten nicht wirklich mitprägen wird." Für den französischen Präsidenten wäre das ein weiterer Triumph.