Macron sieht Mittelschicht in der Krise
15. Januar 2019Nach den Massenprotesten der "Gelbwesten" geht Präsident Emmanuel Macron in die Offensive. Er sucht medienwirksam den Dialog mit den Franzosen - und kommt den einfachen Bürgern auch rhetorisch entgegen.
Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe räumte Macron eine Krise der Mittelschicht in Frankreich ein. Es handele sich um einen "sozialen Bruch", sagte er vor rund 600 Bürgermeistern in der Gemeinde Grand Bourgtheroulde in der Normandie. Diesen Begriff hatte bereits Ex-Präsident Jacques Chirac in den 1990er Jahren geprägt. Besonders die Mittelschicht zahle die Rechnung für die Krisen der vergangenen Jahre, so Macron weiter.
"Es gibt keine Tabus"
Bei der Debatte können Bürger Vorschläge zu den Themen Steuern, ökologischer Übergang, Demokratie und Migration sowie Staatsorganisation machen. Die Debatte soll unter der Schirmherrschaft der Bürgermeister stehen. Daraus sollen dann konkrete Entscheidungen folgen.
Macron hatte in einem Brief an die Franzosen knapp drei Dutzend Einzelfragen aufgelistet. "Es gibt keine Tabus", erklärte er nun. Zuvor hatten ihm Linke vorgeworfen, bestimmte Themen auszuklammern.
Notizbuch mit Beschwerden
Der Präsident wurde in einer Turnhalle gleich nach seiner Ankunft mit Kritik konfrontiert: Der Bürgermeister der Gemeinde, Vincent Martin, überreichte Macron ein Notizbuch mit Beschwerden seiner Einwohner. Anschließend konnten die Bürgermeister dem Präsidenten Fragen stellen und ihre Sorgen vortragen.
Vor der Turnhalle demonstrierten einige "Gelbwesten" - abgeschirmt von zahlreichen Sicherheitskräften. Zuvor hatte Macron überraschend die Gemeinde Gasny besucht, rund 80 Kilometer von Grand Bourgtheroulde entfernt. Dort traf er sich mit dem Stadtrat.
Die von den "Gelbwesten"-Protesten ausgelöste Krise ist die bislang größte Herausforderung für den Staatschef, dessen Beliebtheitswerte zuletzt sanken. Die "Gelbwesten" wenden sich gegen die Reformpolitik der Regierung, einige fordern auch den Rücktritt des Präsidenten. Immer wieder gab es in den vergangenen zwei Monaten Ausschreitungen bei den Protesten. An der "nationalen Debatte" wollen sich nach einer aktuellen Befragung des Senders BFMTV immerhin 40 Prozent der Franzosen beteiligen.
jj/cw (dpa, afp)