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Politik

"Wir brauchen keine Lektion in Demokratie"

Frejus Quenum fm
31. Oktober 2018

Senegals Präsident freut sich über die Ankündigung eines Milliardenfonds für Afrika-Investitionen. Sie seien für Infrastruktur dringend nötig, sagt er im DW-Interview. Dass Demokratie ein Kriterium sein soll, empört ihn.

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"Compact with Africa"-Konferenz in Berlin
Macky Sall und Angela Merkel beim Afrika-Gipfel in BerlinBild: picture-alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

DW: Der Senegal entwickelt sich zu einem wichtigen Partner für Deutschland. Macht Sie das stolz?

Macky Sall: Ja. Der Senegal ist offen für ausländische Investitionen und wir sind zunehmend in Deutschland präsent. Das freut mich, denn Deutschland hat viele Vorteile: die Industrie, sehr dynamische kleine und mittelständische Unternehmen, eine hohe Qualität im Dienstleistungssektor. Ich lade die deutschen Unternehmen ein, in den Senegal zu kommen. Wir sind ein offenes Land mitten im Wirtschaftswachstum.

Welche Bereiche sind für Investoren interessant?

Entwicklung muss alle Bereiche abdecken. Der Bereich Infrastruktur steht da ganz oben. Aber auch Landwirtschaft und die damit zusammenhängende Industrie sind wichtig, berufliche Bildung, Tourismus und verschiedene Dienstleistungen, wie im Bereich des Transportwesens, der Wasser- und Energieversorgung.

Kritiker im Senegal werfen Ihnen vor, sie würden strategisch wichtige Sektoren an ausländische Investoren verkaufen und deren Interessen über die Ihrer eigenen Landsleute stellen.

(Lacht) Das ist lächerlich! Den Wasser-Sektor haben wir 1996 schon reformiert. Die damalige Regierung hatte das Projekt international ausgeschrieben. Ein internationales Privatunternehmen gewann, aber die Ausschreibung war für alle offen, auch für senegalesische Firmen. Warum haben sie nicht mitgemacht? Und heute, mehr als 20 Jahre später, sollten wir doch Firmen haben, die in der Lage sind, ein annehmbares Angebot zu machen. Es ist zu einfach, zu sagen, dass wir alles den Ausländern geben. Außerdem können wir nicht völlig autark leben. Diejenigen, die arbeiten wollen, arbeiten. Bei allen Projekten unseres Plans "Aufstrebendes Senegal" (das politische Rahmenprogramm, mit dem Macky Sall sein Land bis 2035 weiterentwickeln will, Anm. d. Red.) werden 60 bis 70 Prozent aller öffentlichen Aufträge an senegalesische Unternehmen vergeben.

Dakar, Senegal, die Grünen Freiwilligen
Junge Menschen in der senegalesischen Hauptstadt DakarBild: DW/J. von Mirbach

Heißt das, dass Sie die senegalesischen Investoren nicht vernachlässigen?

Wie kann ich die vernachlässigen, für die ich hier bin? Das macht keinen Sinn! Ich vertrete in erster Linie die Interessen der Senegalesen. Aber wenn ich einen Zug brauche - gibt es da in der senegalesischen Privatwirtschaft jemanden, der ihn bauen kann? Da müssen wir realistisch bleiben. Senegalesische Unternehmen können zum Beispiel die Konstruktion der Schienen übernehmen. Im Bereich der elektrischen Systeme haben wir da noch niemanden! Da legen wir jetzt erst los. Wir bauen auch keine Flugzeuge. Wenn ich die brauche, muss ich sie woanders kaufen! Aber bei Service und Wartung wächst unser Privatsektor allmählich, wie in allen Ländern der Welt. Und wir unterstützen ihn dabei.

Eines der Kriterien für Deutschland in der gemeinsamen Partnerschaft ist die Demokratie. Im Senegal stehen in vier Monaten Präsidentenwahlen an. Einige Mitglieder der Opposition haben juristische Schwierigkeiten, an der Wahl teilzunehmen. Was heißt das für die Demokratie in Ihrem Land?

Juristische Probleme gibt überall auf der Welt, sei es in Deutschland, Frankreich oder den USA! In Frankreich haben wir Präsidentschaftskandidaten gesehen, gegen die mitten im Wahlkampf ermittelt wurde. Haben wir da die französische Demokratie in Frage gestellt? Warum sollte das jedes Mal so sein, wenn es um Afrika geht?

Die westlichen Partner machen Demokratie aber zu einem wichtigen Kriterium, wenn es um die Investitionen geht.

Das können sie gerne tun, und wir werden ihre Fragen dann beantworten.  Aber Afrika ist nicht hier, um sich Lektionen erteilen zu lassen. Und der Senegal auch nicht. Ich sehe mich als Demokraten und mein Land als Demokratie. Und ich kann solche Vorwürfe ohne jegliche Grundlage nicht akzeptieren, egal, von wem sie kommen. 

Macky Sall ist Präsident des Senegal und war zum Afrika-Gipfel in Berlin. Senegal ist Teil der von Deutschland ins Leben gerufenen Initiative "Compact with Africa": Die elf afrikanischen Staaten verpflichten sich zu wirtschaftspolitischen Reformen. Westliche Partner stellen dafür technische Expertise bereit und helfen bei der Investorenwerbung.

Das Interview führte Fréjus Quenum.