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Machtwechsel in Portugal

20. Februar 2005

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Portugal haben die oppositionellen Sozialisten (PSP) Hochrechnungen zufolge einen klaren Sieg errungen.

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Gefeiert schon während des Wahlkampfs: Jose SocratesBild: AP

Einer Hochrechnung des staatlichen Fernsehens nach Schließung der Wahllokale zufolge erreichte die PSP mit ihrem Spitzenkandidat Jose Socrates zwischen 45 bis 49 Prozent. Es könnte für PSP sogar zu absoluten Mehrheit reichen. Die bürgerliche Sozialdemokratische Partei von Ministerpräsident Pedro Santana Lopes, die seit drei Jahren an der Macht war, erhielt nur zwischen 25 und 29 Prozent der Stimmen.

Die Sozialisten, die 2002 die Macht abgeben mussten, kehren damit nach nur drei Jahren an die Regierung zurück. Portugal erhält den vierten Ministerpräsidenten innerhalb von vier Jahren. Umfragen vor der Wahl hatten auf einen klaren Sieg der oppositionellen Sozialistischen Partei (PS) hingedeutet. Die Mitte-Rechts-Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Santana Lopes stand vor allem wegen schlechter Wirtschaftsdaten in der Kritik. Der PS-Vorsitzende Jose Socrates hatte im Wahlkampf Reformen versprochen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln.

"Nicht weitermachen wie bisher"

Auch Staatspräsident Jorge Sampaio, der ebenfalls der PS angehört, erklärte in seinem traditionellen Wahlaufruf, Portugal müsse wieder auf den richtigen Weg zurückkehren. "Alle stimmen darin überein, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher." Jeder wisse, dass man der Situation mit Reformen und schnellen, effektiven Maßnahmen begegnen müsse. In scharfer Form kritisierte Sampaio die Regierung unter Santana Lopes, der 2004 als Ministerpräsident antrat, nachdem sein Vorgänger Jose Manuel Barroso zum Präsidenten der EU-Kommission berufen worden war. Sampaio sagte, mangelnde Koordination in Bereichen wie Erziehung und Steuern habe den Staat diskreditiert und eine Erholung der Wirtschaft behindert.

Pannenserie

Die Pannenserie der Regierung und wochenlange Streitigkeiten zwischen Kabinettsmitgliedern waren der Grund dafür, dass der Staatspräsident im November die Auflösung des Parlaments und die vorzeitige Neuwahl der 230 Abgeordneten anordnete. Die Arbeitslosigkeit in Portugal war zum Jahreswechsel mit 7,1 Prozent so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt erreicht nur noch rund 70 Prozent des EU-Durchschnitts.

Die ökonomischen Probleme Portugals sind vielschichtig: Die Wirtschaft stützt sich zu einem bedeutenden Teil auf ungelernte Arbeit und den Niedriglohnsektor, der jetzt mit besser ausgebildeter und noch schlechter bezahlter Konkurrenz in den neuen EU-Ländern und von außerhalb konfrontiert ist. Der öffentliche Dienst ist mit 750.000 Mitarbeitern überfrachtet, auch das schwerfällige Rechtssystem wirkt kostensteigernd und bremsend. Der Sozialversicherung droht Studien zufolge wegen überalterter Bevölkerung im Jahr 2020 die Zahlungsunfähigkeit. Der Unterrichtsstandard an den Schulen müsste dringend angehoben werden. Den notwendigen Veränderungen stehen aber Gewerkschaften, etablierte Interessen und altüberkommene Gewohnheiten im Wege. (sams)