"Machtdemonstration und Signalwirkung"
20. August 2015DW: Welche Bedeutung hat die maritime Militärzusammenarbeit zwischen Peking und Moskau?
Michael Paul: China und Russland wollen damit ihre neue Zusammenarbeit demonstrieren. Man signalisiert damit medienwirksam auch der eigenen Öffentlichkeit, dass man wieder Macht erworben hat und diese Macht auch auf den Weltmeeren demonstrieren kann.
Militärisch hat es den Nebeneffekt, dass nicht nur eigene Fähigkeiten trainiert, sondern auch Rüstungstechniken erprobt werden. Russland hat in den letzten Jahren viele Rüstungsgüter an China verkauft. Ich denke, dass auch hier einige Techniken erprobt und gezeigt werden.
Letztendlich ist es bei solchen Manövern auch ein interner Wettbewerb. Man will zeigen, dass die eigene Mannschaft und Flotte besser sind als die anderen.
Das Manöver unter Teilnahme der chinesischen Flotte im Pazifik hat auch eine weitere Signalwirkung und Aussage hinsichtlich der dortigen maritimen und territorialen Konflikte.
Sie meinen den aktuellen Inselstreit im Südchinesischen Meer?
China hat mit zunehmendem Wohlstand seine militärische Fähigkeiten ausgebaut. Das Südchinesische Meer ist nicht nur für seinen Öl- und Fischreichtum bekannt, es bildet auch die wichtigsten Schifffahrtsstraßen der Welt. China will die Versorgungskette sichern. Chinas Marine hat sich schon von einer Küstenverteidigung zu einer hochseefähigen Flotte entwickelt. Das hat natürlich Auswirkung auf die Anrainer.
Dagegen will Russland seine Interessen in der Arktis schützen…
Die Arktis ist natürlich einer der neuen Schauplätze der Weltpolitik. Es kann sich dort angesichts der zurückgehenden Eisdecke und der frei werdenden Schifffahrtsstraßen um einen künftigen Konfliktherd handeln.
Das Manöver findet diesmal im Japanischen Meer vor der russischen Küste statt. Hat Japan Grund zur Sorge?
Japan betrachtet die ganze Entwicklung mit großer Sorge. Es gibt den aktuellen territorialen Konflikt um die Senkaku/Diaoyu-Inseln zwischen Japan und China. Beim Streit um die Inseln der Kurilen ist auch keine endgültige Lösung mit Russland in Sicht. Solche Manöver erleichtern nicht unbedingt eine Lösung.
Alle Staaten haben bekräftigt, diese Konflikte friedlich lösen zu wollen. Von Fortschritten ist aber nichts zu sehen.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir von Konflikten sprechen, die schon 70 Jahre angedauert haben. Solche Seemanöver erleichtern zwar keine Verhandlungslösungen, aber sie erschweren sie auch nicht. Wenn beide Seiten politisch willens sind, zu Fortschritten zu kommen, wird dies auch geschehen.
Welche Strategie verfolgen die USA im Pazifik?
Die USA haben eine Strategie des "Asia-Pacific Re-Balancing". Das heißt, die USA verlagern einen bestimmten Prozentsatz ihrer Flottestärke in den Pazifik, um der wachsenden Marine Chinas etwas entgegenstellen zu können. Das passiert nicht zuletzt auf Drängen ihrer Verbündeten, aber auch Länder in der Region wie Vietnam, die früher kritisch gegenüber den USA eingstellt waren. Sie favorisieren eine Strategie der Gegenmachtbildung.
Die USA selbst wie auch Russland haben in diesen Konflikten keine Strellung bezogen. Die USA wollen hier ein entstandenes Ungleichgewicht korrigieren und stärker im Pazifik präsent sein. Dabei geht es um den Schutz von Handelsrouten, die nicht zuletzt auch im Interesse Deutschlands als Exportnation sind.
Viele asiatischen Anrainerstaaten rüsten sich massiv auf, um sich vor Chinas Flotte zu schützen. Das kann dem Frieden in der Region doch nicht nützlich sein, oder?
Nein. Wir müssen eine wachsende Aufrüstung in vielerlei Hinsichten feststellen, gerade bei U-Booten. Viele Länder bauen derzeit eine Flotte von Unterseebooten auf. Das ist für die Region nicht unbedingt stabilisierend. Aus militärischen Zwischenfällen könnten eskalierende Folgen entstehen.
Michael Paul ist Experte für sicherheitspolitische Fragen u.a. im pazifischen Raum bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Das Gespräch führte Gui Hao.