Maas fordert mehr Hilfen für Gewaltopfer
17. Juli 2020"Vergewaltigung, Zwangsprostitution und sexuelle Versklavung werden nach wie vor in Konflikten überall auf der Welt als Waffen eingesetzt", sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas in einer Videokonferenz des UN-Sicherheitsrates. Er kritisierte, auch 20 Jahre nach Verabschiedung der Resolution 1325 und mehr als ein Jahr nach Verabschiedung der Resolution 2467 seien "Fortschritte kaum erkennbar". Opfer von sexueller Gewalt in Konfliktgebieten bekämen häufig nicht die Hilfe, die sie brauchen. Sexualisierte Gewalt in Kriegen habe Gesellschaften weltweit zerstört.
Deutschland hat im Juli den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne und erklärte den Kampf gegen sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten zu einer Priorität. Im April 2019 war unter deutschem Vorsitz vom Sicherheitsrat die Resolution 2467 gefasst worden, die mehr Schutz für Opfer sexueller Gewalt in Konflikten fordert. Konfliktparteien werden aufgefordert, solche Verbrechen sofort zu beenden. Andernfalls könnten auch Sanktionen verhängt werden.
Ruf nach Stärkung der Opfer
Der Minister forderte die verbindliche Umsetzung der Agenda "Frauen, Frieden und Sicherheit" sowie der Resolution 2467 zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt in Konflikten und zur Stärkung der Opfer. So müsse gewährleistet sein, dass Überlebende medizinische und rechtliche Unterstützung bekämen und Frauen an der Friedenskonsolidierung unmittelbar beteiligt würden. Überdies müssten Sanktionen eine größere Rolle als bisher im Kampf gegen sexuelle Gewalt spielen. Der Straflosigkeit für die Täter müsse ein Ende gesetzt werden.
Maas verglich die Herausforderungen durch konfliktbedingte sexualisierte Gewalt für die Weltgemeinschaft mit dem Kampf gegen die Corona-Pandemie. Bei sexualisierter und geschlechterspezifischer Gewalt in Konflikten handele es sich um ein "globales Virus", das seit Jahren Menschenleben und Gemeinschaften zerstöre - ohne dass ein Impfstoff in Sicht sei. Die Corona-Pandemie habe die Situation für viele Betroffene von sexueller Gewalt zusätzlich verschlechtert, betonte Maas. Ausgangssperren hätten den Zugang Betroffener zum Rechts- und Gesundheitswesen erschwert, sexualisierte Gewalt komme daher noch seltener als früher zur Anzeige.
Angelina Jolie mahnt
An der gemeinsam von Deutschland und der Dominikanischen Republik ausgerichteten Debatte nahmen auch Vertreter der Zivilgesellschaft und Expertinnen teil, darunter die Schauspielerin Angelina Jolie. Die US-Amerikanerin, die auch Sondergesandte des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR ist, redete dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen ins Gewissen. Am Beispiel überlebender Kinder der ethnisch-religiösen Gruppe der Jesiden nach dem Völkermord durch die Terrormiliz IS beschrieb Jolie, wie mangelhaft die Hilfe für diese nach wie vor sei. Die spärlichen psychosozialen Dienste würden den Bedarf der Opfer bei weitem nicht erfüllen. "Der Mangel an Dienstleistungen resultiert aus dem Versäumnis der internationalen Gemeinschaft, die Mittel bereitzustellen, sowie aus dem Mangel an politischem Willen", sagte Jolie. Genauso düster sehe es bei der Verfolgung von Tätern aus. Kein einziger mutmaßlicher Verantwortlicher sexueller Gewalt sei bis heute zur Rechenschaft gezogen worden.
Die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, plädierte dafür, Betroffene ins Zentrum des politischen Interesses zu rücken, um sicherzustellen, dass sie die nötige Hilfe bekommen. Opfer würden durch brutale Vergewaltigungen nicht nur körperlich verstümmelt, sondern trügen auch seelische Wunden davon. Sexuelle Gewalt werde in Konfliktgebieten weltweit als Taktik und als Foltermittel eingesetzt.
Nach einem UN-Bericht wurde sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten im vergangenen Jahr in mindestens 19 Ländern und von mehr als 50 Konfliktparteien begangen, darunter Regierungsarmeen, Rebellengruppen und Terrororganisationen. Statistiken über die Opferzahlen sind wegen ungenauer Erfassung durch Behörden und der Angst vor Stigmatisierung der Opfer jedoch ungenau.
kle/jj (afp, epd, dpa)