Luther Käßmann
3. Dezember 2012Nach ihren Rücktritten als hannoversche Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende gehört sie nun wieder zur Führungsriege des deutschen Protestantismus. Allerdings (noch) eher in der zweiten Reihe. Lange hatte die EKD überlegt, wie man die unbestrittenen Fähigkeiten der einstigen Frontfrau des Protestantismus am besten einsetzen könnte. Da kommt das Reformationsjubiläum gerade recht. Im Oktober 2017 jährt sich der legendäre Thesenanschlag Martin Luthers und damit der Beginn der Reformation zum 500. Mal. Eine ganze Dekade soll derzeit dieses Jubiläum thematisch mit vorbereiten. Die Hälfte dieser zehn Jahre ist nun bereits vorbei. Umso mehr wird die prominente Steuerfrau für den Endspurt benötigt.
Unterwegs im „Lutherland“
Nun zieht die charismatische Theologin durch die Lande, um den Menschen den Reformator nahe zu bringen. Auch im ehemals klassischen "Lutherland" - in Städten wie Wittenberg, Eisleben, Eisenach, Erfurt, Mühlhausen oder Torgau. Ihr Ziel: In der Region den Stolz der Menschen wecken, auch wenn etwa in Eisleben, Luthers Geburts-, Tauf- und Sterbestadt, nur noch sieben Prozent Christen leben. "Ich will versuchen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass diese Region der Ausgangspunkt einer weltweiten Bewegung war", sagt Margot Käßmann.
Erst vergangene Woche war die Lutherbotschafterin in Genf. Dort haben die wichtigsten internationalen evangelischen Kirchenbünde ihren Sitz. Margot Käßmann ist also keineswegs zufällig dort, denn sie möchte erreichen, dass das Lutherjubiläum nicht nur ein nationaler Event wird. "Es geht nicht nur um Luther; es geht um die Reformation als größere Bewegung. Es soll kein deutsches Ereignis bleiben", sagt Käßmann. Deshalb sucht sie den Kontakt zu den Reformierten, auch wenn die Anhänger Calvins oder Zwinglis natürlich nicht auf Luthers Thesenanschlag fokussiert sind. Doch mit den anderen protestantischen Hauptströmungen verbindet die Lutheraner ebenfalls eine gemeinsame Basis - auch eine vertragliche: die Leuenberger Konkordie von 1973. In dieser Vereinbarung verpflichten sich protestantische Kirchen auf gegenseitige Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.
"So weit sind Protestanten und Katholiken noch längst nicht", bedauert die 54-jährige Margot Käßmann: "Die Kirchen der Reformation sind keine neue Kirche, sondern Teil der alten Kirche, die im 16. Jahrhundert einen anderen Weg gegangen ist", so die Lutherbotschafterin. Das bedeute, es gebe eine gemeinsame Geschichte bis ins 16. Jahrhundert, und die könne man 2017 auch feiern. Erst recht nach 100 Jahren ökumenischer Bewegung. "Wir haben uns wieder aufeinander zu bewegt."
Fest der Ökumene?
Immerhin hätten sich Protestanten und Katholiken 1999 auf ein gemeinsames Dokument zur Rechtfertigungslehre geeinigt. Die Frage der Rechtfertigung vor Gott (Wie kann der sündige Mensch vor dem heiligen Gott bestehen?) war seinerzeit der Hauptanlass für Luthers Reformation. Zugleich warnt die Lutherbotschafterin vor allzu großen Erwartungen an die katholischen Glaubensgeschwister: "Es wäre jetzt übertrieben, zu sagen, da sei eine Euphorie auf katholischer Seite, das Reformationsjubiläum mitzufeiern. Der Papst hat auch nicht wirklich signalisiert, was er sich da vorstellen könnte." Und das, obwohl auf Wunsch Benedikts bei seinem Deutschlandbesuch 2011 ein katholisch-evangelisches Spitzentreffen im Erfurter Augustinerkloster zustande kam - jenem Ort also, an dem Luther als Mönch lebte und wo seine ersten reformatorischen Gedanken reiften. Vielleicht aber ist doch was moglich, denn in Deutschland gebe es eine funktionierende und vielversprechende evangelisch-katholische Ökumene. "Ich denke, es wird ein Symbol, ein Zeichen der Versöhnung, etwas Gemeinsames geben, um deutlich zu machen, das Jubiläum hat eine ökumenische Dimension", vermutet die Lutheranerin.
Vielfältig unterwegs
Margot Käßmann ist in erster Linie Lutherbotschafterin der EKD. Allerdings lässt sich solch eine engagierte Frau nicht in ein „Diplomatenkorsett“ zwängen. Nebenbei war sie Mitte November Schirmherrin der ARD-Schwerpunktreihe zum Thema „Leben mit dem Tod“. Gleichzeitig stand sie der Ökumenischen Friedensdekade vor, und auch bei der Diskussion um die Grenzen des wirtschaftlichen Wachstums ist ihre Stimme immer deutlich zu vernehmen. Sie unterstützt die Initiative "Anders wachsen".
Doch bei all ihrem ethischen und politischen Engagement dringt zugleich der christliche Glaube aus allen Poren. Sie ist im besten Sinne fromm. Deshalb nimmt man es ihr ab, wenn sie, die alles andere als weltfremd wirkt, unter dem Glaubensverlust in der Gesellschaft leidet. "Luther würde sich die Haare raufen. Nun hat er die Bibel in die Sprache seines Volkes übersetzt, doch sie wird nicht gelesen.“ Margot Käßmann rauft sich nicht die Haare. Sie setzt darauf, dass ihre Kirche die "Lutherdekade" bis 2017 nutzen wird, um die Frohe Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen verstärkt unters Volk zu bringen. In den Gemeinden vor Ort hat sie jedenfalls festgestellt, dass die Gläubigen keine Lust mehr haben auf die ewigen Struktur- und Spardebatten. "Da habe ich den Eindruck, dass diese Lutherdekade für viele Gemeinden sehr reizvoll ist. Die sagen: Jetzt können wir uns endlich mal wieder um Inhalte und Themen kümmern." Und um Luther und seine Botschafterin.