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"Luther" ist gut für die Kirche

Kyle James / reh31. Oktober 2003

Der Film "Luther" ist gerade in deutschen Kinos angelaufen - und die evangelische Kirche sieht das gar nicht ungern: Sie hofft auf neue Begeisterung für den Reformator Martin Luther und sein Anliegen.

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Sein Leben wurde verfilmt: Martin LutherBild: DW

Der "Luther"-Film läuft seit Donnerstag (30. Oktober 2003) im Kino - und er hat alles, was einer gewöhnlichen Konfirmantenunterricht klischeegemäß fehlt: einen gutaussehenden Mann, einen dramatischen Blitzeinschlag, Kostüme von damals, düstere Landschaften und eine ordentliche Portion Action.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die die Vermarktung des Films unterstützt, hofft, dass die Kirchengeschichte nach Hollywood-Machart beim Publikum neues Interesse weckt – für die Zeit Luthers, für ihn selbst oder sogar für die Kirche insgesamt. "Vielleicht ist der Film eine Möglichkeit, die protestantische Botschaft einer neuen Gruppe nahezubringen", sagte EKD-Sprecher Christof Vetter der Deutschen Welle.

Aber nicht nur die EKD hat ein ureigenes Interesse an dem Film: Co-finanziert wird er von dem amerikanischen Unternehmen Thrivent Financial for Lutherans, das rund ein Drittel der Produktionskosten übernommen hat. Thrivent Financial for Lutherans ist ein Finanzdienstleister, entstanden vor 100 Jahren aus der Fusion von zwei lutheranischen Genossenschaften: der Aid Association for Lutherans und der Lutheran Brotherhood. Auf ihr Erbe sind sie stolz.

Die ganze Reformation in nur zwei Stunden

Peter Ustinov
Peter Ustinov als Kurfürst Friedrich von Sachsen im Film 'Luther'

Martin Luther, der von 1483 bis 1546 lebte, war Priester und Mönch. Er stellte grundlegende Praktiken wie etwa den Ablasshandel in Frage und griff die korrupte und dekadente Papstkirche an. Er gründete die protestantische Bewegung, half, die deutsche Sprache zu vereinheitlichen und reformierte die geistliche Musik. Der Film "Luther", unter Regie von Eric Till und mit Joseph Fiennes ("Shakespeare in Love") in der Hauptrolle, versucht, all die Ereignisse in zwei Stunden zu stopfen. Visuell ist der Film atemberaubend; gedreht wurde an 100 Orten in Deutschland, Italien und Tschechien mit beeindruckenden Kulissen und Kostümen. Sir Peter Ustinov begeistert als selbstironischer Friedrich der Weise, Luthers Schutzpatron.

Doch Kritiker beklagen, dem Film fehle eine schlüssige Story - und Eric Till habe einen Zehn-Stunden-Streifen in zwei gequetscht. Indem er aufs Mainstream-Publikum abziele, verfalle der Film in billige Sentimentalität. Uwe Ochsenknecht als Papst wirkt für manche unfreiwillig komisch; Joseph Fiennes sei als Luther auf jeden Fall eine Fehlbesetzung. In den USA, wo "Luther" im September anlief, erhielt das Werk gemischte Kritiken. Thrivent, ein Finanzkonzern der amerikanischen Lutheraner, steuerte immerhin Geld für die Produktion bei: nach eigenen Angaben 9,8 Millionen Dollar. Der gesamte Film kostete 23 Millionen Dollar.

Der Luther-Test

Joseph Fiennes
Joseph Fiennes als der evangelische Reformator Martin Luther

Für die EKD ist "Luther" ein Muss - sie hat ihre PR-Maschinerie angeworfen, um deutsche Zuschauer in die Kinos zu locken. "Wir begrüßen die Tatsache, dass der soziale Umbruch der Reformation genauso wie die Person Martin Luthers mit seinen Gedanken und seinem Glauben so präsentiert wird, dass sie einem breiten Spektrum der Öffentlichkeit zugänglich sind", erklärte Präses Manfred Kock in einem Statement.

Die Internet-Seiten der EKD bieten den Surfern Luther-Bildschirmschoner, Spiele, die 95 Thesen und einen Test: "Sind Sie ein Luther-Typ"? Die Kirche ermutigt Lehrer, mit ihren Klassen die Aufführungen zu besuchen. "Wir finden, der Film ist schön, unterhaltsam und gleichzeitig lehrreich. Er kann die Kirchengeschichte in die Gegenwart tragen", sagte EKD-Sprecher Vetter.

Film hilft nicht gegen Austritte

Und ein entstaubtes Image täte der Evangelischen Kirche auch gut. Für viele Deutsche wird die Kirche immer mehr zu einer fernen Erinnerung, die Mitglieder werden von Jahr zu Jahr weniger. Besonders unter Protestanten: Seit mehr als drei Jahrzehnten treten mehr Menschen aus der evangelischen Kirche aus als hinzukommen. 2001 verließen 172.000 Leute die Kirchengemeinschaft, dem stehenn nur 59.000 neuen Mitglieder gegenüber.

Die EKD macht sich keine Illusionen, dass der Film den Trend umkehren könnte. Aber Vetter hofft auf eine Diskussion über die Rolle der Kirche in der deutschen und europäischen Geschichte. "Aber ob ein Film neues Interesse an der Kirche wecken kann, ist schwer zu sagen", meint Vetter. "Das werden wir wohl erst wissen, wenn der Film gelaufen ist."