Loja Dschirga endet mit Appell zur Versöhnung
3. Mai 2019Zum Abschluss der Loja Dschirga in Kabul haben 3200 Delegierte aus verschiedenen Teilen Afghanistans eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe gefordert, die von Montag an, also mit dem Beginn des Fastenmonats Ramadan, in Kraft treten solle. Präsident Ashraf Ghani erklärte seine Zustimmung , allerdings könne ein solcher Schritt "nicht einseitig" beschlossen werden. "Erst wenn die Taliban zu einem vollständigen Waffenstillstand bereit sind, können wir über seine organisatorischen Details sprechen", erklärte Ghani auf der Abschlussveranstaltung.
Doppelte Abfuhr von den Taliban
Die Taliban antworteten zunächst nicht auf diesen Vorschlag, da sich ihre Vertreter in der sechsten Verhandlungsrunde in Katar mit dem amerikanischen Sondergesandten Zalmai Khalilzad befinden. Auch er sprach sich für eine baldige Beendigung des Krieges aus. Per Twitter verkündete er: "Ich betonte zu Beginn unserer Tagung, dass die afghanische Bevölkerung, also ihre Brüder und Schwestern, ein Ende des Krieges wollen."
Talibansprecher Zabihullah Mudschahid erteilte Khalilzad jedoch eine Abfuhr: Dieser könne "den Gedanken vergessen, dass wir unsere Waffen niederlegen." Stattdessen solle er seine Forderungen an die Adresse der USA richten. Folgerichtig lehnten die Taliban noch am Freitag den Vorschlag einer Waffenruhe ab. Man werde nicht mit der Regierung in Kabul verhandeln, solange sich "Afghanistan unter amerikanischer Besatzung" befinde.
Präsident Ghani kündigte kurz vor Beendigung der Loja Dschirga die Freilassung von 175 Talibankämpfern an. Allerdings sollen die Taliban Vertreter nach Kabul schicken, damit ihnen die Gefangenen übergeben werden können. Für Beobachter ist klar, dass die Taliban darauf nicht eingehen werden, so dass sich die Frage stellt, was Ghani mit dieser Geste "des guten Willens" bezweckt.
Versammlung will auch auf Taliban zugehen
Die große Ratsversammlung mit ca. 3200 Teilnehmern, die in 50 Ausschüssen organisiert war, verabschiedete eine Resolution, der zufolge "einige Forderungen der Taliban im Sinne von weiterer Vertrauensbildung überprüft und eventuell entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können." Im Gegenzug sollen die Taliban das Blutvergießen im Land beenden und sich am Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes beteiligen.
Des weiteren werden "alle politischen Parteien und Kräfte, alle einflussreichen nationalen Persönlichkeiten und der Staat Afghanistan aufgefordert […] die auf der Versammlung eingebrachten Vorschläge zu nutzen und in innerafghanische und alle Teile der Gesellschaft umfassende Verhandlungen einzutreten."
Religiöse Streitpunkte
In der Resolution wird auch die unterschiedliche Auslegung der islamischen Religion als ein Grund für den Krieg gesehen. Deshalb wird vorgeschlagen, dass Regierung, Taliban und Religionsgelehrte versuchen, ihre unterschiedliche Auslegungen der Religion im Sinne der nationalen Einheit anzunähern. Eben dafür sollen die Fastenzeit und eine Waffenruhe genutzt werden.
Die Teilnehmer der Loja Dschirga versprachen des weiteren, die Friedensbotschaft der Versammlung in die entlegensten Ecken Afghanistans zu tragen und mit örtlichen Verwaltungsorganen, Stammesoberhäuptern sowie Frauen und Jugendlichen zusammenzuarbeiten, um Frieden auf lokaler Ebene zu ermöglichen.
Machtkämpfe und Boykotte
Die Mitglieder der Versammlung waren auch der Meinung, dass eine unabhängige Institution weiterhin notwendig sei, um die Friedensgespräche zu erleichtern. Deshalb solle der existierende "Hohe Friedensrat" beibehalten, aber in seiner Struktur grundlegend verändert werden. Die Formulierung deutet auf Machtkämpfe hin: Der amtierende Vorsitzende des Friedensrats, Mohammad Karim Khalili, war der beratenden Loja Dschirga nebst einer Reihe seiner früheren Verbündeten aus der ehemaligen Nordallianz ferngeblieben.
Von Anfang an hatten insgesamt zwölf Präsidentschaftsteams, also Dreierteams, die jeweils einen Präsidentschaftskandidaten und zwei Stellvertreter beinhalten, die große Ratsversammlung boykottiert, weil es sich um "unnötige Zeit- und Geldverschwendung sowie Teil der Wahlkampagne des Präsidenten" handle.
mit AFP, Reuters, BBC