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Liebesbriefe in Windeseile

2. Dezember 2001

Liebesgrüße rattern heute durch Faxe, blinken als E-Mail am Rechner auf oder landen mit Klingelsound als sterile SMS auf dem Handy. Früher konnten Liebesbriefe für 30 Pfennig per Rohrpost verschickt werden.

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Rohrpostanlage statt DatenautobahnBild: Reisig

Sanft parfümierte Billets wechselten die Besitzer - mit Kussspuren, Blütenblättern oder farbiger Tinte. Auf den Postboten musste man trotzdem nicht warten - zumindest nicht in Berlin. Eingerollt, gut verpackt und wie magisch angezogen sausten Beteuerungen, Rechtfertigungen und Anträge mit 60 Stundenkilometern unterirdisch zur sehnsüchtig vermissten Herzensdame. Vor 125 Jahren wurde das erste deutsche öffentliche Rohrpostnetz in der Hauptstadt in Betrieb genommen.

Unter der Erde wurden die "Rohrpostbüchsen" mit Druck- und Saugluft durch ein Röhrensystem geschickt, das in seiner Blütezeit mit 400 Kilometern Länge das zweitgrößte der Welt hinter Paris war. Die erste "Pneumatic Despatch Railway" ging 1863 in London in Betrieb. Doch es war nicht die Sehnsucht nach schnell verschickten Liebesbriefen, die das System entstehen ließen. Stattdessen ging es - natürlich - um Geld.

Die kleine U-Bahn Berlins

Telegramme sollten schnell ausgeliefert werden. Sie brauchten damals zwar eine halbe Stunde zwischen München und Berlin, aber in der Stadt dauerte es noch einmal drei Stunden, bis sie beim Empfänger waren. Besonders internationale Börsennachrichten sollten so schnell wie möglich übermittelt werden. Die erste Berliner Röhre, die allerdings nicht von jedem genutzt werden konnte, führte 1865 vom damaligen Haupt-Telegraphenamt am Hackeschen Markt zur Börse.

Vor 25 Jahren erlebte die Rohrpost ihre letzte Stunde - und geriet angesichts von Telex, Telefax und E.Mail in Vergessenheit. Im ehemaligen Telegraphenamt der Hauptstadt steht die Rohrpostzentrale heute unter Denkmalschutz. Gerade hat die Post das Gebäude an einen privaten Investor verkauft, der das alte Herz der Rohrpost für die Öffentlichkeit zugänglich machen will.