Liebe Grüße aus Moskau
9. Februar 2003Kulturstaatsministerin Christina Weiss bezeichnet Kultur als das "Lebenselixier" Europas. Und für ihren russischen Kollegen Michail Schwydkoj ist Kultur neben Öl und Gas das wichtigste Exportgut Russlands. Die Kulturminister sind am Sonntag (9. Februar 2003) dabei, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin zusammen mit Bundespräsident Johannes Rau die "Deutsch-Russischen Kulturbegegnungen 2003/2004" in Berlin eröffnen. Die Anwesenheit der beiden Staatsoberhäupter zeigt die politische Bedeutung des Ereignisses.
Friede, Freude, Kulturaustausch
Das deutsch-russische Jahr ist voll von ambitionierten Kulturprojekten. Die Berlinale würdigt in einer Retrospektive russische Filme, die seit dem Ende der Sowjetunion entstanden sind und dem deutschen Publikum bisher wenig bekannt waren. Im Sommer wird ein Festival russischer Musik in Saarbrücken stattfinden, wo Russland-Fans das Ballett des Moskauer Bolschoi-Theaters bewundern können. Dass Russland auch Schwerpunkt der nächsten Frankfurter Buchmesse sein wird, ist daher nur folgerichtig.
Höhepunkt des deutsch-russischen Jahres ist die Ausstellung "Berlin-Moskau/Moskau-Berlin 1950 - 2000" ab Oktober in Berlin. Sie wird im Frühjahr 2004 auch in Moskau gezeigt werden. Insgesamt werden in beiden Ländern über 350 Veranstaltungen stattfinden. Das Ziel ist, beiden Nationen ein umfassendes Bild voneinander zu präsentieren und Vorurteile abzubauen, die auf beiden Seiten noch existieren.
Reizwort "Beutekunst"
Beim Thema deutsch-russische Kulturbeziehungen schwingt immer auch der noch ungelöste Streit um die so genannte "Beutekunst" mit. Eine Ursache dafür ist die unterschiedliche Rechtslage in beiden Ländern. Die Duma, das russische Parlament, erließ 1997 ein Gesetz, das die Rückgabe von Kunstwerken, die von offiziellen, sowjetischen Staatsorganen beschlagnahmt wurden, verbietet. Privatpersonen fallen nicht unter das Gesetz. So wie der russische Offizier und Kunstliebhaber Viktor Baldin, der am Ende des Zweiten Weltkriegs eine beachtliche Sammlung von Grafiken und Zeichnungen unter anderem von Caspar David Friedrich, Rembrandt und Albrecht Dürer sicherstellte. Soldaten der Roten Armee hatten diese Baldin-Sammlung als kleines Souvenir mitgehen lassen. Nun kann sie in die Bremer Kunsthalle zurückkehren, genauso wie die Silbersammlung der Prinzenfamilie von Anhalt und der Nachlass Walter Rathenaus.
Dagegen verbietet das Duma-Gesetz die Rückgabe der Priamon-Funde aus Troja von Heinrich Schliemann. Dieses Schliemann-Gold muss Deutschland zurückgeben, falls es eines Tages hier ausgestellt werden sollte.
Die russische Seite hat weitere Forderungen an Deutschland. "Ein großer Teil der deutschen Beutekunst ist bis heute verschollen und über ihren Verbleib können wir nur Mutmaßungen anstellen", meint Prof. Wolfgang Eichwede von der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen im Gespräch mit DW-WORLD. Er war maßgeblich an den Verhandlungen über die Rückkehr der Baldin-Sammlung beteiligt, bemüht sich aber auch um die Rückgabe russischer Kulturgüter. Nach deutschem Recht ist der Erwerb eines gestohlenen Gutes nach 10 Jahren rechtskräftig, wenn der Käufer in gutem Glauben gehandelt hat. Das Gegenteil nachzuweisen, ist im Nachhinein sehr schwierig. "Wir haben zum Beispiel eine wertvolle Ikone aus Russland aufgespürt, die im Besitz einer deutschen Familie in Berchtesgaden war. Nur durch Überzeugungsarbeit und eine kleine Entschädigung konnten wir erreichen, dass das sie das Kunstwerk zurückgaben. Denn die deutsche Rechtslage kollidiert hier eindeutig mit internationalem Recht."
Politik der kleinen Schritte
Bei allen Verwicklungen gab es seit dem Ende der Sowjetunion 1991 schon Erfolge. Eichwede mahnt aber zu Geduld. Die Rückgabe der Baldin-Sammlung entspeche dem russischen Gesetz und komme für ihn daher nicht überraschend. Aber das Duma-Gesetz bleibe ein Problem. "Trotzdem bin ich froh, dass die deutsche Seite sich auf eine Politik der kleinen Schritte geeinigt hat." Eine pragmatische Vorgehensweise ist beiderseits nötig. Hinter den Kulissen natürlich, denn offiziell werden in diesem Kulturjahr noch viele versöhnliche Worte fallen.