Digitale Paradiese
22. August 2008Tausende begeisterte Jugendliche und hunderte vorsichtig interessierte Erwachsene machen das Messegelände zu einem Bienenstock. Es ist eine laute Party und "Party" ist auch zunehmend das Motto der Produkte. Einer der Megatrends dieses Jahr sind Musikspiele, so Spiele-Kritiker Rene Meyer. Nach "Sing-Star" und nach dem Trommeln von Nintendo kam die Gitarre und mittlerweile gebe es so ein richtiges System aus Gitarre und Schlagzeug unter dem Titel "Rockband", weiß er zu berichten.
Wegbereiter dieses Trends ist Nintendo. Mit der Konsole Wii kamen vor anderthalb Jahren erstmals auch neue Bedienelemente auf den Markt. Bewegungssensoren in der Fernbedienung steuern die Figur auf dem Bildschirm, nicht wie sonst der bloße Knopfdruck. Da wird beim Spielen reichlich gefuchtelt, sehr zum Spaß der Zuschauer.
Beherrschende Kraft im Wohnzimmer
Diese Wii-Konsole sei zwar technisch viel schwächer als die playstation oder die x-Box, aber sie verfüge über Spiele, die eben Spaß machten, erläutert Meyer. Die spiele man auf dem Sofa mit Freunden zusammen, eben "Party-Spiele".
Die Branche hat ihr anvisiertes Ziel wohl erreicht: Die Konsole ist auf dem Weg vom Kinderzimmer in die Stube. Jens Tienapp, Marketingleiter bei Microsoft, beschreibt die neue Zielgruppe so: "Im Prinzip kann man sagen: jünger und weiblicher, das ist gut für uns alle." Den Trend machen alle mit, auch Konsolenanbieter ohne die neue Steuerung. Das neue Gemeinschaftsgefühl wird bedient, ob man nun, beispielsweise bei "Ultimate Band“ mit vollem Einsatz Luftgitarre spielt, oder bei "Rockband“ die richtigen Tasten drückt, um unter Anleitung vom Bildschirm Popmusik zu produzieren, auch wenn man weniger musikalisch ist.
Nintendo setzt weiter die Trends
Computerspiele sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, so kommentiert Olaf Wolters den erweiterten Markt. Der Geschäftsführer des Herstellerverbandes der Computerspielindustrie kann sich damit fast sicher sein, auch in den kommenden Jahren Zuwächse in Millionenhöhe zu verkünden. Das Produktportfolio werde breiter, man habe neue Zielgruppen aufgeschlossen, und jeder habe "seine Nischen gefunden", so Wolters. Das Angebot geht inzwischen sogar über die Spiele hinaus. Wieder ist hier Nintendo der Impulsgeber. Für die tragbare Konsole DS, Nachfolger des Gameboy, gibt es neben den sehr erfolgreichen Rechen- und Logikspielen nun auch interaktive Sprachkurse und Kochbücher. Inzwischen verkaufen sich diese Konsolen besser an Mädchen als an Jungs.
Der zweite große Trend, der aber schon seit einigen Jahren existiert, ist das Internet. Spielen im Netz gilt seit Jahren als der Trend der Zukunft, nun auch der Gegenwart. Seit der zunehmenden DSL-Verbreitung in den Haushalten ist das Internet die Spiele-Plattform. Die sehr beliebten Online-Rollenspiele werden nicht im Laden gekauft, man findet sie einfach im Netz. Mitspielen kostet eine monatliche Gebühr.
Trotz Erfolgs könnte Leipzig die "Games Convention" verlieren
Spiele-Kritiker Meyer zieht Vergleiche zu Hollywood: "Also 'world of warcraft' ist der absolute Marktführer hat mehr als zehn Millionen zahlende Abonnenten und ist damit eine unheimliche Wirtschaftskraft. Das Spiel hat Milliarden eingespielt." Umsätze, die an Deutschland meist vorbeigehen. Die Hersteller sitzen in den USA und Asien, die großen Spielentwickler auch. Selbst der Einzelhandel klagt über unprofitable Gewinnspannen wegen ausländischer Konkurrenzhändler im Internet. Die einzige deutsche Erfolgsgeschichte der Branche schreibt seit sieben Jahren die Leipziger Messe. Doch ab 2009 wolle die Branche in Köln ausstellen. Dort gebe es ein grösseres Einzugsgebiet, das Ruhrgebiet, die Verkehrsverbindungen für internationale Gäste seien besser, so Tienapp von Microsoft.
Einig sind sich da bislang aber nur die Großen der Branche, der Rest fühlt sich in Leipzig sehr gut bedient. Leipzig werde "games-city bleiben", gibt sich Messechef Wolfgang Marzin kämpferisch. Die europäische Leitmesse für Computerspiele ist begehrt. 550 Aussteller, 200.000 Besucher, diesen Wirtschaftsfaktor hätten viele gern in ihrer Region. Das Rennen scheint noch nicht beendet.