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Leere Versprechen aus Taschkent

13. Dezember 2011

Usbekistan unterstützt die NATO beim Krieg in Afghanistan. Dafür drückt der Westen die Augen gegenüber den Willkürakten des Karimow-Regimes zu, sagen Menschenrechtsorganisationen. Und kritisieren damit auch Deutschland.

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Das Bild zeigt den von Narben übersäten Rücken eines Gefolterten
Foltervorwürfe gegen UsbekistanBild: picture-alliance/ dpa

Usbekistan habe seine Versprechungen nicht eingelöst, Foltermethoden wie Elektroschocks und vorgetäuschtes Ersticken aus seinem Strafvollzugssystem zu verbannen, berichtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Dienstag (13.12.2011) in Berlin. Der Westen müsse den Tatsachen ins Auge sehen: "Usbekistan ist ein isoliertes Land mit einer miserablen Menschenrechtsbilanz", so Steve Swerdlow, Länder-Experte bei Human Rights Watch. "Nur weil das Land an Afghanistan grenzt, darf man vor Folter und Unterdrückung nicht die Augen verschließen." Die Bundesregierung, die eine Militärbasis im usbekischen Termez unterhalte, vermeide klare öffentliche Kritik am Regime von Präsident Islam Karimow in Taschkent. Ähnlich verhielten sich die USA, die EU und andere europäische Staaten. Grund sei offensichtlich die strategische Bedeutung des Landes als Nachschubweg für die NATO-Truppen in Afghanistan.

Human Rights Watch hat in mehr als 100 Interviews von 2009 bis 2011 in Usbekistan zahlreiche Aussagen über Folter gesammelt. Im März 2011 musste die Organisation ihr Büro in Taschkent schließen. Human Rights Watch hat Fälle dokumentiert, in denen Beamte einen Befragten beim Verhör mit kochendem Wasser übergossen, Häftlinge mit Gummiknüppeln und Flaschen verprügelten, sie an Hand- oder Fußlenken aufhingen, vergewaltigten oder sexuell erniedrigten oder mit Plastiktüten oder Gasmasken an den Rande des Erstickungstods brachten.

Aufgehängt an den Handgelenken

Transall-Transportflugzeuge der deutschen Luftwaffe stehen auf einem Rollfeld in Termez. Die Bundeswehr betreibt zur Versorgung der ISAF-Truppen in Afghanistan einen Lufttransportstützpunkt in Termez. (Foto: dpa)
Bundeswehr-Transall in TermezBild: dpa - Report

In dem Bericht beschreibt die Ehefrau eines Opfers die Misshandlungen, die ihr Mann in einem Untersuchungshaftzentrum in Taschkent von 2008 bis 2009 erleiden musste, nachdem ihm die Sicherheitsbehörden Spionage vorgeworfen hatten: "Die Beamten hingen ihn mit den Handgelenken an der Decke auf und acht bis neun Leute schlugen, einer nach dem anderen, auf ihn ein. Als ich ihn sah, war es offensichtlich, dass man ihn an den Handgelenken aufgehängt hatte. Ich konnte die Spuren sehen. Er sagte mir, dass mehrere Male Wärter und andere Häftlinge zu den Verhören geholt wurden und man ihnen Nadeln gab, um sie unter seine Fingernägel zu stecken. Einmal legten die Wärter ihm Handschellen an und verbrannten seinen Penis mit angezündeten Zeitungen. Er hatte Verbrennungen zweiten Grades."

Die EU hatte nach der blutigen Niederschlagung einer Demonstration in Andijan 2005, bei der zahlreiche Demonstranten getötet wurden, ein Exportverbot für Waffen und Einreiseverbote für hochrangige usbekische Politiker verhängt, diese Sanktionen jedoch 2009 wieder aufgehoben. Begründet wurde dies mit Rechtsreformen, darunter der Einführung der richterlichen Haftprüfung (Habeas Corpus).

Keine Verbesserungen durch "Reformen"

Laut Human Rights Watch hat sich der Schutz von Häftlingen vor willkürlicher Inhaftierung, Folter oder Misshandlung seitdem jedoch kaum verbessert. So stimmten die usbekischen Gerichte den Haftanträgen der Staatsanwälte praktisch immer zu, ohne die Fälle unabhängig zu prüfen. Die Gerichte übernähmen oft von der Regierung vorformulierte Passagen in ihre Haftbefehle.

Die Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass die Regierung den Berufsstand der unabhängigen Rechtsanwälte praktisch völlig zerstört und kritischen Anwälten die Lizenz entzogen hat. Die Behörden verweigern Häftlingen routinemäßig den Zugang zu einem Anwalt. "Es ist absurd, von Fortschritten bei der Rechtsstaatlichkeit in Usbekistan zu sprechen, während die mutigsten und unabhängigsten Anwälte des Landes zum Schweigen gebracht werden", so Swerdlow. "Ohne Strafverteidiger, die frei von staatlicher Einmischung arbeiten können, besteht wenig Hoffnung auf ein Ende der Folter in Usbekistan."

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hält den Bericht von Human Rights Watch für fundiert. Er bestätige seinen eigenen Eindruck, dass Folter "offensichtlich ein Mittel der Ordnungsbehörden zur Erkenntnisgewinnung" sei. Löning fordert die Regierung in Taschkent auf, jede Form von Folter zu unterbinden und alle politischen Gefangenen frei zu lassen.

Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung (FDP) (Foto: Amnesty International/dapd)
Markus Löning: Fundierter BerichtBild: dapd

Dass ihr zentralasiatischer Alliierter im Anti-Terrorkampf es mit den Menschenrechten nicht so genau nimmt, ist den westlichen Regierungen seit langem bewußt. US-Außenministerin Hillary Clinton erinnerte im Oktober bei einem Usbekistan-Besuch den dortigen Präsidenten Islam Karimow daran - allerdings sehr zurückhaltend. Die Europäische Union führt mit Usbekistan und weiteren vier zentralasiatischen Staaten seit Jahren einen Dialog über Menschenrechte, der aus der Sicht von Human Rights Watch weitgehend ergebnislos geblieben ist. Eine Einschätzung, die auch die Grünen-Fraktion im Bundestag teilt, die den Dialog für eine "Feigenblattveranstaltung" hält.

Neue Sanktionen gefordert

Die USA, die EU und andere internationale Schlüsselakteure sollten sich laut Human Rights Watch für einen Sonderberichterstatter der UNO über die Menschenrechtslage in Usbekistan einsetzen und gezielte Strafmaßnahmen wie Vermögenssperren oder Einreiseverbote für die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen ergreifen. In Berlin will Human Rights Watch diese Position auch gegenüber Abgeordneten und im Außen- und Verteidigungsministerium darlegen. Von Deutschland fordere man nicht die Schließung der Militärbasis in Termez, hieß es, schließlich habe Deutschland legitime Sicherheitsinteressen. Doch sollten diese nicht auf Kosten der Menschenrechtspolitik gehen.

Die oppositionellen Grünen machten vor einiger Zeit im Bundestag darauf aufmerksam, dass Deutschland neben den Kosten für den Stützpunkt Termez, die von 2002 bis 2010 rund 88 Millionen Euro betragen hätten, seit 2011 jährlich weitere 16 Millionen Euro direkt und ohne Verwendungsnachweis an den usbekischen Staat zahle.

Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Nils Naumann