Leben ohne Bonus: Bengt Holmström
9. Dezember 2016Bengt Holmström ist ein freundlicher Herr. Der Anzug des Finnen sitzt perfekt. Schon vor 40 Jahren ging er in die USA. Er spricht leise und langsam. Sein Spezialgebiet ist die Vertragstheorie. Welche Anreize setzen Verträge? Zum Beispiel erfolgsabhängige Vergütungen in Arbeitsverträgen.
Als Wirtschafts-Professor am Massachusetts Institute of Technology kennt er so etwas nicht aus eigener Erfahrung. "Nie in meinem Leben habe ich selbst einen Bonus bekommen", erzählt er. Er macht einen Gehaltssprung, wenn er ein Angebot von der Harvard Universität oder anderswo bekommt. Denn solche Abwerbe-Versuche wehrt das MIT mit einer Gehaltsanpassung ab.
Eine extrem leistungsorientierte Vergütung war dagegen in der Finanzbranche vor dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise weit verbreitet. 2007 kassierte beispielsweise Goldman Sachs-Chef Lloyd Blankfein 68 Millionen US-Dollar.
Bengt Holmström legt Wert darauf, dass die absolute Höhe der Vergütung Sache des Marktes ist. Ihm geht es um die Struktur von Verträgen und darum, wie man die Interessen der Vertragsparteien angleicht. Nach welchen Prinzipien solche Verträge gestaltet werden sollten, um auch die individuelle Leistung eines Managers zu belohnen - darüber hat sich Holmström schon in den 1970er Jahre Gedanken gemacht. Doch er blieb weitgehend ungehört.
Bei Goldman Sachs beispielsweise hätten sie die Gelder sehr rasch ausbezahlt und nicht auf weitere Informationen gewartet. "Es ist selten der Fall, dass man in einem Jahr schon alle Folgen einer Entscheidung sieht, die man in dem Jahr getroffen hat", sagt er. Holmström empfiehlt Beschränkungen für die Ausübung von Aktien-Optionen, die häufig Bestandteil von Boni sind oder einfaches Abwarten: ein Teil des Bonus wird ausgezahlt, ein anderer zur Seite gelegt. Das sei ein ziemlich einfacher Kontroll-Mechanismus.
Die Höhe der Management-Gehälter zu begrenzen, sei eine moralische Frage. Aber dabei gehe häufig die klare Struktur verloren und darin sieht er ein Problem. Eine Zeit lang konnte Holmström quasi von innen beobachten, welche Auswirkungen Vorstandsverträge haben.
Von 1999 bis 2012 saß Holmström im Verwaltungsrat von Nokia. Als finnisches Unternehmen hat Nokia nur ein Management-Board. Dort hat er Aufstieg und Fall des Unternehmens miterlebt. Denn die Finnen waren Jahre lang der größte Mobilfunkhersteller der Welt, verschliefen jedoch den Trend zum Smartphone. Nur der kurzfristige Erfolg zählte. Konnte er da nicht gegensteuern? "Wir wussten, dass die Vergütungs-Ansprüche zu kurzfristig waren", sagt er. Es sei darüber diskutiert worden. Am Ende klingt das, was er sagt, nach Herdentrieb in den Teppichetagen: "Ein Unternehmen ist eng an das gebunden, was die Unternehmensberater sagen. Man will nicht allzu weit von den anderen abweichen. Die Menschen fragen dann, warum sie das machen. Das ist ein generelles Problem in Verträgen. Verträge haben die Tendenz standardisiert zu sein", meint er. Jede Abweichung provoziere Nachfragen.
2012 schied er bei Nokia aus. Heute sieht er sogar noch weniger Spielraum für Manager. Sie stünden unter Dauerbeobachtung und müssten sich für alles rechtfertigen. Die Verträge, sagt der MIT-Professor, müssten anders aussehen: Langfristige Ziele verbunden mit langfristigen Anreizen.
Bengt Holmström beobachtet einen generellen Vertrauensverlust gegenüber börsennotierten Konzernen. Die Aktionäre wollten mitreden, hätten aber nicht die geeigneten Mittel dazu. Deshalb würden sich Unternehmensberater einschalten, die ihre ganz eigenen Interessen verfolgten.
"Unternehmensberater haben ein großes Anreiz-Problem. Sie scheuen Risiken und sie tanzen nicht gerne aus der Reihe." Das Vertrauen in die Management-Boards sei verloren gegangen und die Manager hätten noch weniger Entscheidungsspielraum als früher.