Japan setzt auf Atomkraft
22. Dezember 2022Japan setzt in der globalen Energiekrise verstärkt auf Atomkraft. Eine jetzt von der Regierung beschlossene Richtlinie sieht eine Verlängerung der Laufzeit bestehender Meiler über die bisherige Begrenzung auf 60 Jahre hinaus vor. Zudem sollen Reaktoren der nächsten Generation gebaut werden, die langfristig die alten ersetzen sollen.
Damit kehrt die vor Deutschland drittgrößte Volkswirtschaft der Welt vollends vom vorübergehenden Atomausstieg ab, der nach dem Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im März 2011 in Folge eines Erdbebens und eines Tsunami eingeleitet worden war. "Wir müssen die Kernenergie voll ausschöpfen", gab Ministerpräsident Fumio Kishida dieser Tage als Devise aus.
Zum einen will das rohstoffarme Land ähnlich wie Deutschland seine Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten verringern und Stromengpässe vermeiden. Zum anderen will Japan seine Klimaschutzziele erreichen: Bis zum Jahr 2050 soll der CO2-Ausstoß auf Null reduziert werden. Zwar sollen auch die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, doch zugleich wird die Nutzung der Atomkraft ungeachtet der Gefahr durch Erdbeben und der Fukushima-Katastrophe als unerlässlich angesehen.
Bis zu 70 Jahre Laufzeit
Nach Fukushima hatte Japan sämtliche Meiler im Lande heruntergefahren und deutlich verschärfte Sicherheitsstandards eingeführt. Die Regierung will nun die Zeit der Zwangspause den Betreibern anrechnen. Damit dürfte ein AKW dann sogar 70 Jahre lang in Betrieb bleiben. Für 27 abgeschaltete Reaktoren haben die Betreiber die Genehmigung zum Wiederanfahren beantragt. 17 Reaktoren haben die Sicherheitsauflagen erfüllt, zehn Meiler davon sind bereits wieder am Netz. Am Dienstag hatte ein Gericht die Forderung von Anwohnern des AKW Mihama zurückgewiesen, den dortigen mit mehr als 40 Jahren ältesten laufenden Reaktor wegen Sicherheitsbedenken abzuschalten.
Die neue Energiepolitik werde aber nicht dazu beitragen, aktuell drohende Versorgungsengpässe zu vermeiden, sagen Experten. Denn abgeschaltete Reaktoren könnten nicht so schnell wieder in Betrieb genommen werden, wie die Regierung hofft. Begründung: Die Betreiber hätten Sicherheitsverbesserungen verzögert und auch örtliche Behörden müssten einem Hochfahren zustimmen.
Zur Finanzierung von Investitionen in Dekarbonisierungsprojekte sieht die neue Richtlinie Anleihen für eine "grüne Transformation" über etwa 20 Billionen Yen (143 Milliarden Euro) vor. Die Regierung schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren öffentliche und private Investitionen von über 150 Billionen Yen in diesem Bereich erforderlich sein werden. Japan will bis 2030 etwa 20 bis 22 Prozent der Stromerzeugung aus Kernenergie gewinnen - derzeit sind es sieben Prozent. 36 bis 38 Prozent des Stroms sollen künftig aus erneuerbaren Energien kommen.
AR/se (dpa, ap)