Lateinamerika sucht eine eigene Identität
17. Dezember 2008In den USA geht die Präsidentschaft von George Bush zu Ende - doch kaum einer hält sich jetzt mit Rückblicken und Bilanzen auf. Vielmehr blicken viele mit Spannung und großen Erwartungen auf Barack Obama. Mit seiner Präsidentschaft sind große Hoffnungen verbunden: Er werde auf jeden Fall alles anders, und hoffentlich auch besser machen als Bush, so der allgemeine Tenor. Möglicherweise werden sich viele dieser Hoffnungen doch recht bald als überzogen herausstellen.
Obama tritt ein schweres Erbe an - innen wie außenpolitisch. Die Beziehungen zu Lateinamerika zum Beispiel sind unter George Bush stark vernachlässigt worden. Dafür hat sich die Region in den letzten Jahren politisch von dem großen Bruder im Norden emanzipiert, auch wenn die regionale Integration noch immer nicht so richtig in Gang kommen will - wie auf dem UNASUR-Gipfel in Brasilien zu beobachten war.
Zum ersten Mal überhaupt haben die Länder Lateinamerikas sich ohne die USA und die früheren Kolonialmächte Spanien und Portugal getroffen. Dafür war der kubanische Staatschef Raúl Castro anwesend, der seinen ersten großen außenpolitischen Erfolg feiern konnte: die Aufnahme Kubas in die Rio-Gruppe. Damit ist der Karibikinsel ein wichtiger Schritt aus der internationalen diplomatischen Isolation gelungen. Aus Lateinamerika werden die Forderungen nach einem Ende der US-Blockade immer drängedern. In seinem Wahlkampf hatte Barack Obama Erleichterungen im Reiseverkehr und für Überweisungen nach Kuba versprochen - nach dem 20. Januar wird man ihm beim Wort nehmen.
Doch noch spricht Lateinamerika nicht mit einer Stimme. Zu groß sind die Rivalitäten zwischen den aufstrebenden Regionalmächten. Vor allem Brasilien und Mexiko konkurrieren um eine Vormachtstellung in der Region. Brasilien strebt vor allem eine weitere Abwendung von den USA an - ein Kurs, der von Venezuela, Ecuador und Bolivien unterstützt wird. Peru und Kolumbien ihrerseits verfolgen genau das entgegengestzte Ziel. Und die gemäßigten Regierungen von Chile und Uruguay setzen, vor allem angesichts der Finanzkrise, auf nationalen Lösungsansätze, aus Angst, durch die schwächeren Partner aus der Region selbst geschächt zu werden. UNASUR, der erst Anfang 2008 gegründete südamerikanische Staatenbund, muss sich erst noch bewähren.
Ingrid Betancourt - Kämpferin für den Frieden
An die Einheit Lateinamerika hat auch Ingrid Betancourt jüngst appelliert. Zum ersten Mal seit ihrer Befreiung aus über sechsjähriger Geiselhaft im kolumbianischen Duschungel war die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ende November nach Kolumbien und von dort aus durch Lateinamerika gereist. Die franco-kolumbianische Politikerin war im Juli in einer spektakulären Aktion vom Militär aus den Händen der FARC Guerrilla befreit worden.
Seitdem setzt sie sich weltweit für ein Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien ein. Und das ist auch ihr Hauptziel für das nächste Jahr. Sie will eine Stiftung für Frieden, Umwelt und Menschenrechte. gründen. " Mit dieser Stiftung kann ich für all jene dasein, die leiden. Ich will denen helfen, die eine helfende Hand brauchen", so Ingrid Betancourt. Vor allem will sie aber erst Mal zur Ruhe kommen, sich zurückziehen und ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeiten. "Wenn man das erlebt hat, was ich im Dschungel erlebt habe, dann bedeutet alles, was danach kommt, nur noch Glück", bekennt sie.
Ferne Heimat, fremde Umgebung
Glück hat auch Eva Durán, Glück, dass sie überhaupt noch lebt. Die Journalistin und Schriftstellerin aus Kolumbien lebt seit drei Jahren in Köln im Exil. Sie hat am eigenen Leib erfahren müssen, wie gefährlich die Arbeit von Journalisten in ihrem Heimatland ist, wenn man zwischen die Fronten von Regierung, Paramilitärs und Guerrilla gerät, wenn man über Korruption und Bestechung schreibt und die Machenschaften der Mächtigen anprangert.
Redaktion: Mirjam Gehrke