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Politik

Kühles Klima: Merkels Besuch in Warschau

Wojciech Szymanski
19. März 2018

Justizreform, Flüchtlingspolitik, EU-Finanzierung: Es gibt viele Streitpunkte zwischen Deutschland und Polen. Die Kanzlerin will den Dialog jedoch nicht abreißen lassen - das zeigt ihr bevorstehender Besuch in Warschau.

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Deutschland Angela Merkel und Mateusz Morawiecki
Kanzlerin Angela Merkel und Premier Mateusz Morawiecki vor einem Monat in BerlinBild: Reuters/H. Hanschke

Kaum einen Monat ist es her, dass der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki zum Antrittsbesuch nach Berlin kam. Am Montag stattet die frisch gewählte neue und alte Bundeskanzlerin Angela Merkel nun einen Gegenbesuch in Warschau ab. Sie erwartet ein Programm, das üblicherweise zu sehr guten Beziehungen passt: Angela Merkel trifft sowohl den Regierungschef als auch den Präsidenten Andrzej Duda. Auch ein gemeinsames Abendessen ist geplant. Doch die scheinbare Harmonie täuscht. Zwischen Berlin und Warschau knirscht es gerade an mehreren Stellen.

In den vergangenen zwei Jahren - seitdem die konservative PiS-Partei die Parlamentswahlen gewann - hat sich das deutsch-polnische Verhältnis stark abgekühlt. Warschau ignoriert seither die EU-Vereinbarung, nach der Flüchtlinge auf alle Mitgliedsländer verteilt werden sollen. Polen wurde schnell, zusammen mit Ungarn, zum größten Gegner der deutschen Migrationspolitik. Bis heute weigert das Land sich, Flüchtlinge aufzunehmen. "Wir werden uns diese gesellschaftliche Katastrophe nicht aufzwingen lassen" - so formuliert der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński seine ablehnende Haltung.

Kernfragen politischer Glaubwürdigkeit

Es sind aber vor allem die Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit in Polen, die eine vertrauensvolle Politik zwischen Berlin und Warschau stören. Verblüfft hat die deutsche Regierung beobachtet, wie rücksichtslos PiS-treue Richter das polnische Verfassungsgericht übernommen haben. Ebenso kritisch beäugt wird die Justizreform, die nach Auffassung der Europäischen Kommission die Unabhängigkeit der Richter aufhebt.

Polen Warschau Proteste vor Präsidentenpalast gegen Justizreform
Proteste gegen die Justizreform gibt es auch in Polen - hier im Juli 2017 in WarschauBild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

"Das Thema hat das größte Explosionspotenzial in den deutsch-polnischen Beziehungen", sagt Stephen Bastos, Polen-Experte der Stiftung Genshagen. Das sei kein Kommunikationsproblem, das man mit ein paar Interviews aus der Welt schaffen könne, so der Politologe - es sei eine Kernfrage polnischer Glaubwürdigkeit.

Bastos erwartet dennoch nicht, dass Rechtsstaatlichkeit und Migrationspolitik eine zentrale Rolle bei Merkels Besuch in Warschau spielen werden. "Bei der Reise geht es eher darum, eine gute Grundlage zu definieren, auf der man demnächst aufbauen kann." Beide Regierungen hätten kein Interesse daran, die Konflikte eskalieren zu lassen.

Schon länger hält sich die Bundesregierung mit Kritik zurück. Merkel war nur einmal im Wahlkampf deutlich geworden. Klare Worte überlässt sie ansonsten Brüssel. Zu Recht befürchtet Berlin, dass die PiS-Regierung eine offene Kritik aus Deutschland innenpolitisch ausnutzt. Antideutsche Stimmung in der polnischen Gesellschaft zu schüren, gehört seit Jahren zum Repertoire der konservativen Partei.

Berlins ausgestreckte Hand

Die Tatsache, dass Angela Merkel nach ihrem Besuch in Paris als nächstes Warschau ansteuert, zeigt, dass sie trotz aller Schwierigkeiten im Dialog mit Polen bleiben will - vor allem in einer Zeit, in der die Zukunft Europas besprochen werden muss. "Angela Merkel wird in Warschau ausloten wollen, inwiefern Polen die französischen Pläne zur EU-Reform teilt", erwartet Agnieszka Łada, Leiterin des Europaprogramms beim Warschauer Institut für Öffentliche Angelegenheiten.

Auch andere europäische Themen könnten zur Sprache kommen, wie der neue EU-Finanzrahmen und die Höhe der künftigen EU-Fördermittel. Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben schon angedeutet, dass sie finanzielle Unterstützung am liebsten nur noch an Netto-Empfänger zahlen möchten, die die Rechtsstaatlichkeit wahren. In Polen war man empört. Den umgehenden Besuch Merkels in Polen sieht die Politologin Łada daher auch als "ausgestreckte Hand" Berlins in Richtung Warschau.

Man kann allerdings bezweifeln, das Polen diese Hand ergreifen möchte. Trotz internationaler Kritik an seiner Justizreform und wachsender Entfremdung in Europa bleibt das Land hart und tritt keinen Schritt zurück. Stephen Bastos meint, Berlin würde dann zwar weiter alles tun, um im Gespräch zu bleiben. "Bloß wird Polen nicht mehr einer der entscheidenden Partner sein, mit dem es über die Reform der EU reden wird."

Brüssel Polens Premierminister Mateusz Morawiecki und Jean-Claude Juncker
Probleme auch in der EU - Morawiecki und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am 8. März in BrüsselBild: Reuters/Y. Herman

Polens Misstrauen wächst

Differenzen auf politischer Ebene bleiben nicht ohne Folgen in der Gesellschaft. Laut der neuesten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CBOS sank die Sympathie der Polen für Deutsche um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ganz überraschend ist das nicht. Seit Monaten tobt in Polen eine vom PiS-Vorsitzenden Kaczyński entfachte Diskussion über deutsche Kriegsreparationen. Die PiS-treuen Medien begleiten sie durch aggressive Berichterstattung.

Konkrete Forderungen an Berlin bleiben aber aus. Bei seinem Antrittsbesuch erwähnte Premierminister Morawiecki Reparationen mit keinem Wort. Das verstärkt den Eindruck, dass die schwierige deutsch-polnische Geschichte von der Regierungspartei für innenpolitische Zwecke missbraucht wird. Schaden für die Nachbarschaft nimmt man offenbar in Kauf.