"König Otto" wird 75
9. August 2013Als Vereinstrainer zählt Otto Rehhagel zu den erfolgreichsten deutschen Trainern. Im Laufe der 1990er Jahre avancierte er hinsichtlich seines Alters, seiner Erfahrung und auch seiner Erfolge zum "großen alten Mann" unter den Bundesligatrainern. Stets baute er auf seine eigenen Methoden. Rehhagels größte Inspirationsquelle - laut eigener Aussage - war immer seine Gattin Beate. Und wenn gar nichts half, sagte er Dinge wie "Jeder kann sagen, was ich will" oder "Ich biete mich nirgendwo an - außer bei meiner Frau". Ein Denkmal für die Ewigkeit schuf er sich, als er Griechenland im Jahr 2004 zum Europameister machte.
Rehhagel, geboren am 9. August 1938, begann seine fußballerische Karriere in seiner Heimatstadt bei TuS Helene Essen und beim Traditionsclub Rot-Weiß Essen. Als 1963 die Bundesliga ins Leben gerufen wurde, wechselte er zu Hertha BSC Berlin, drei Jahre später zum 1. FC Kaiserslautern. Dass er Jahrzehnte später zu dem Hauptstadtklub als Nothelfer gegen den Abstieg zurückkehren und mit den Pfälzern Bundesligageschichte schreiben sollte, ahnte er damals noch nicht. Zunächst absolvierte Rehhagel als kompromissloser Verteidiger insgesamt 201 Bundesligaspiele und erzielt dabei 22 Tore.
Kontrollierte Offensive
Trophäen aber blieben ihm versagt, die holte er erst als Trainer. Zunächst als "Notnagel" trainierte er zwischen 1976 und 1980 vier Vereine: Werder Bremen, Borussia Dortmund, Arminia Bielefeld und Fortuna Düsseldorf. Mit den Rheinländern gewann Rehhagel 1980 seinen ersten Titel, den DFB-Pokal. Ein Jahr später, bei der Fortuna entlassen, ging er zurück zu seinem Ex-Verein nach Bremen. Es sollte der Anfang einer beispiellosen Erfolgs-Ära an der Weser sein.
Mit den Hansestädtern gewann der Erfinder der "kontrollierten Offensive" zwei deutsche Meisterschaften (1988/1993), holte zwei DFB-Pokalsiege (1991/1994) und 1992 auch den Europapokal der Pokalsieger - der größte Erfolg der Bremer Vereinsgeschichte. Im Februar 1995 verkündete der Bremer Dauercoach seinen Abschied und wechselte ausgerechnet zum großen Rivalen Bayern München. Doch die vermeintliche Traum-Ehe erwies sich als große Fehlentscheidung. Rehhagel kam mit den Allüren der Münchner Stars nicht zurecht und wurde schon ein gutes Jahr später entlassen.
Als Aufsteiger zur Meisterschaft
Das war der richtige Zeitpunkt für den gerade erstmals in der Vereinsgeschichte abgestiegenen 1. FC Kaiserslautern, um die Dienste des mittlerweile 58-Jährigen zu buhlen. "Hier darfst du wieder Otto sein", lockte ihn Präsident Jürgen Friedrich, der einst mit Rehhagel gemeinsam für den FCK die Fußballstiefel geschnürt hatte. Anders als in München funktionierte die Zusammenarbeit auf Anhieb. Unter "König Otto" schaffte Kaiserslautern 1997 die sofortige Rückkehr in die Beletage und ein Jahr später das Kunststück, als Aufsteiger direkt Meister zu werden - ein bis heute nicht wiederholtes Novum in der Bundesliga-Geschichte.
Im September 2000 endete Rehhagels Amtszeit in Kaiserslautern. Damit schien auch die Bundesligakarriere des nun 62-Jährigen an ihrem Schlusspunkt angekommen zu sein - nach 820 Partien in 26 Jahren als Trainer. "Mit 50 bist du als Fußball-Trainer reif für die Klapsmühle", war einer seiner besten Sprüche. Doch die Erfolgskarriere Rehhagels war noch lange nicht vorbei.
"Rehakles" erobert Europa
Völlig überraschend wurde er 2001 Nationaltrainer Griechenlands. Wieder einmal zeigte der Trainer seine besondere Fähigkeit, aus vermeintlich durchschnittlichen Einzelkönnern eine Mannschaft zu formen, die über sich hinauswächst. Sensationell gewann Griechenland 2004 in Portugal die Europameisterschaft. Die Fans feierten ihren "Rehakles". Er galt als "demokratischer Diktator" im Trainingsanzug, als altmodisch. Doch die Kritik an seiner antiquierten Defensivtaktik wischte Rehhagel lapidar weg: "Modern spielt, wer gewinnt."
Nach Enttäuschungen bei der EM 2008 und der Weltmeisterschaft 2010 trat Rehhagel schließlich als Nationaltrainer Griechenlands zurück - als Rekordhalter: Keiner seiner Vorgänger auf dem Posten hat mehr Länderspiele (106) gecoacht, keiner eine längere Amtszeit (fast neun Jahre) überstanden, geschweige denn Titel vorzuweisen. Bis heute wird "Rehakles" an der Ägäis vergöttert. Er war als erster Ausländer "Grieche des Jahres", Welt-Nationaltrainer und wurde zum Ehrenbürger Athens ernannt.
Mit Hertha schließt sich der Kreis
Zwei Jahre lang hielt es der über 70-Jährige im Ruhestand aus, ehe er 2012 dem Hilferuf von Hertha BSC Berlin folgte. Der Kreis schloss sich: Bei den Berlinern hatte Rehhagel als Spieler 1963 im allerersten Bundesligaspiel auf dem Platz gestanden. Jetzt war Rehhagel 73 und damit nach Fred Schulz, der 1978 als 74-Jähriger ein halbes Jahr lang Werder Bremen trainierte, zweitältester Bundesligatrainer aller Zeiten. Den Abstieg der "Alten Dame" Hertha aber konnte er trotz aller Routine nicht verhindern.
Nun ist Otto Rehhagel 75 Jahre jung geworden und niemanden dürfte es wirklich wundern, wenn "König Otto" doch noch einmal auf die große Bühne des Fußballs zurückkehren würde.
Weitere Sprüche von Otto Rehhagel:
"Die Wahrheit liegt auf dem Platz."
"Ich schätze es, wenn Fußballer verheiratet sind, denn die eigene Frau ist das beste Trainingslager."
"Mal verliert man - und mal gewinnen die anderen."
"Wer Erster ist, hat immer Recht. Ich habe also Recht. Und wenn ich Fünfter bin, können Sie wieder mit mir reden."
"Die sollen sich nicht so anstellen, bei mir zählen nur glatte Brüche als Verletzungen."
"95 Prozent meiner Spieler merken, dass ich meine Spieler liebe."
"Bei Werder habe ich sechs Jahre um ein eigenes Klo gekämpft. Bei Real würden sie mich fragen: Welche von den zehn Toiletten möchten Sie benutzen?"
"Wenn ich heute fünf Talente einbaue und mehrere Spiele hintereinander verliere, dann lassen die Leute an den Blumen, die sie mir zuwerfen, plötzlich die Töpfe dran."
"Wenn die Griechen einmal gewinnen, wollen sie Europameister werden, und wenn sie zweimal verlieren, wollen sich alle ins Meer stürzen."