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Politik

Kurzer Prozess für Malis Kulturerbe-Killer

Christine Harjes
27. September 2016

Der Internationale Strafgerichtshof hat Ahmad Al Faqi Al Mahdi wegen Kriegsverbrechen verurteilt. Zum ersten Mal hat er damit die Zerstörung von Weltkulturerbe geahndet. Ein Meilenstein - aber nicht für die Malier.

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Im Krieg zerstörte Kulturstätten Timbuktu
Von Islamisten zerstört: Ein Mausoleum in TimbuktuBild: Getty Images/AFP

In Rekordzeit hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) sein Urteil gesprochen: Neun Jahre Haft für den malischen Islamisten Ahmad Al Faqui Al Mahdi. Normalerweise braucht das Gericht Jahre, um Urteile zu fällen; in diesem Fall ging es ganz schnell. Denn der ehemalige Lehrer hatte sich bereits zu Beginn der Verhandlungen im August schuldig bekannt. Als Mitglied der islamistischen Gruppe Ansar Dine hatte er im Sommer 2012 Angriffe auf Weltkulturdenkmäler in Timbuktu organisiert. Dabei zerstörten die Islamisten neun Mausoleen und die Jahrhunderte alte Tür einer Moschee.

Unverständnis bei den Opfern

Die Weltöffentlichkeit hatte das Urteil mit Spannung erwartet: Zum ersten Mal ging es hier um die Zerstörung von Weltkulturerbe, zum ersten Mal stand ein Islamist vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Und zum ersten Mal hat ein Angeklagter vor dem IStGH seine Schuld eingestanden und Reue gezeigt.

IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda im Gerichtsprozess gegen Al Mahdi (Foto: picture-alliance/AP Photo/B. Czerwinski)
Anklägerin Fatou BensoudaBild: picture-alliance/AP Photo/B. Czerwinski

In Mali selbst blieb das Interesse bis zuletzt mäßig. "Es wird darüber berichtet", sagt Katja Müller von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. "Allerdings hat der Prozess für die Malier keine Priorität - weder in Timbuktu noch in anderen Landesteilen." Während der Krise im Land haben die Islamisten in Mali getötet, vergewaltigt und gefoltert. "Es stößt auf Unverständnis in der Bevölkerung, dass diese Verbrechen nicht geahndet werden", sagt Müller. Neben dem Ausmaß der Straflosigkeit, das in Mali zu beobachten sei, verblasse der Prozess gegen Al Mahdi eher zu einer Symbolpolitik.

Al Boukhari Ben Essayouti, Kulturbeauftrager von Timbuktu, stimmt Müller zu. Zwar sei er froh über das Urteil zum Kulturerbe seiner Stadt, aber noch immer liefen Menschen frei herum, die schlimmere Verbrechen begangen hätten - und verhöhnten die Bevölkerung: "Die Internationale Justiz hätte einen großen Schritt für die nationale Versöhnung tun können, indem sie die Verantwortlichen der anderen Verbrechen außer Gefecht gesetzt hätte", sagt er.

Aufarbeitung braucht langen Atem

Natürlich könne man verstehen, dass Opfer in diesen Konflikten enttäuscht seien, wenn "nur" wegen der Zerstörung von Kulturgut Verfahren geführt würden, sagt Christoph Safferling. Der Experte für Internationales Strafrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg zeigt sich trotzdem zufrieden: Es sei ein großes Glück gewesen, dass der Angeklagte seine Taten gestanden habe. "Dadurch ist das für die internationale Strafgerichtsbarkeit ein irre schnelles Verfahren gewesen", erklärt der Völkerrechtler. "Für die weiteren Verbrechen muss man jetzt einen langen Atem haben, aber die Aufarbeitung ist hier noch nicht am Ende."

Mali: Restaurierte Moschee in Timbuktu (Foto: Getty Images/AFP/S. Rieussec)
Restaurierte Moschee in Timbuktu - die Wunden in der Gesellschaft bleibenBild: Getty Images/AFP/S. Rieussec

Amnesty International mahnt die Ahndung dieser Verbrechen dringend an: Das Urteil über Al Mahdi sende zwar ein klares Signal gegen Angriffe auf religiöse und historische Bauwerke, heißt es in einer Stellungnahme. "Diese positive Entwicklung darf aber nicht vergessen lassen, dass hunderte Zivilisten ermordet, vergewaltigt und gefoltert wurden." Der IStGH habe bisher keine Haftbefehle wegen dieser Verbrechen erlassen, kritisiert Amnesty International. All diese Verbrechen, die seit 2012 in Mali begangen wurden, müssten dringend strafrechtlich verfolgt werden, fordert die Menschenrechtsorganisation - und schließt ausdrücklich Gewalt durch Regierungstruppen ein.

"Urteil reicht nicht!"

Ahmad Al Faqi Al Mahdi im Weltkulturerbe-Prozess am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (Foto: picture-alliance/dpa/P.Post)
Al Mahdi vor GerichtBild: picture-alliance/dpa/P.Post

Für Christoph Safferling bedeutet das Urteil gegen Al Mahdi einen wichtigen Schritt im Kampf gegen den islamistischen Terror. In Mali habe sich dieser Terror besonders in der Zerstörung des Kulturguts gezeigt. "Dem anti-freiheitlichen Geist wurde jetzt der Prozess gemacht. Ihm wurde hier eine deutliche Absage erteilt", sagt Safferling.

Während Safferling die neun Jahre Haft für Al-Mahdi als ein deutliches Zeichen gegen den islamistischen Terror einstuft, zeigt sich der stellvertretende Bürgermeister von Timbuktu, Drawi Assékou Maiga, von dem Strafmaß enttäuscht: "Für die Bewohner von Timbuktu und die gesamte malische Bevölkerung reicht dieses Urteil nicht! Al Mahdi hat zwar um Verzeihung gebeten, aber das darf nicht bedeuten, dass man sein grausames Vorgehen vergessen darf." Al Mahdi selbst dürfte mit dem Urteil zufrieden sein. Er hatte bereits im Vorfeld angekündigt, ein Strafmaß von neun bis elf Jahren widerspruchslos anzunehmen.

Mitarbeit: Fréjus Quenum