Kurt Beck? Who is Kurt Beck?
14. Mai 2006Schon bald nach dem Rücktritt des SPD-Chefs Matthias Platzeck stand der Nachfolger fest: der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck. Nun er wurde am Sonntag (14.5.) auf einem Sonderparteitag in Berlin offiziell mit 95,1 Prozent Zustimmung ins Amt gewählt. In dem Wechsel komme keinerlei inhaltliche Verschiebung zum Ausdruck, meint der Parteienforscher Peter Lösche. "Beck war nach Platzecks Rücktritt die nahe liegende Alternative - es gibt keinen anderen, der in der SPD so populär ist und die Partei so hervorragend von Innen kennt." Mit ihren 600.000 Mitgliedern sei die SPD ein komplexes und schwer zu begreifendes organisatorisches Gebilde.
Wenig Interesse
"Platzecks Problem war, dass er die Partei nie richtig verstehen konnte", sagt Lösche und verweist darauf, dass die SPD im Osten nur rund 30.000 Mitglieder hat. Allerdings sei Beck bisher ein Provinzführer gewesen und habe wenig Erfahrung in der Außenpolitik. "Dass Kurt Beck Vorsitzender ist, wird in anderen sozialdemokratischen Parteien Europas nicht groß registriert", sagt Lösche. "Das ist Alltag - Beck steht für Kontinuität." Anders sei dies gewesen, als Tony Blair 1994 Nachfolger des verstorbenen Labour-Führers John Smith wurde. "Das war für die Sozialdemokraten Aufsehen erregend, weil sich Labour damit zu einer ganz neuen Partei entwickelte."
Bei der britischen Labour-Partei dürfte es kaum jemanden interessieren, dass der neue SPD-Vorsitzende nun Kurt Beck heißt, sagt Charles Lees, Politikwissenschaftler an der Universität Sheffield. Als wesentlich bedeutender sei dagegen der Wechsel von Gerhard Schröder zu Angela Merkel wahrgenommen worden. "Auch wenn das niemand öffentlich sagen würde: Die Blair-Regierung kommt mit Angela Merkel besser zurecht." So seien die engsten Verbündeten von Tony Blair auf europäischer Ebene Konservative wie Silvio Berlusconi oder José María Aznar gewesen.
Nationale Unterschiede
Zur Zeit der Erneuerung von Labour Anfang und Mitte der 1990er Jahre habe es viele horizontale Verbindungen zwischen den sozialdemokratischen Parteien in Europa gegeben, etwa zwischen Labour und der SPD oder zwischen Labour und der PS in Frankreich, sagt Lees. "Wenn wir die Situation heute betrachten, ist die sozialdemokratische Familie heterogener - ich würde sogar bezweifeln, dass die kontinentaleuropäischen Sozialdemokraten Blair noch als Teil der Familie sehen."
Für die inhaltliche Entwicklung sei der Austausch zwischen den Parteien eben weniger wichtig, als die nationalen Rahmenbedingungen, sagt Lees. "In Deutschland ist durch die föderale Struktur der Anreiz geringer als in Großbritannien, in die Mitte zu rücken, um aus der Oppositionsrolle herauszukommen", sagt Charlie Lees. Denn in Zeiten, in denen die Partei im Bund in der Opposition sei, habe sie zumindest auf Länderebene noch Zugang zur Macht. Zudem mache es das deutsche Parteiengesetz, das die innerparteiliche Struktur vorschreibt, unmöglich, dass wie bei Labour eine relativ kleine Führungsgruppe die ganze Partei in eine bestimmte Richtung dränge.
Regelmäßige Treffen
Auch zwischen den italienischen Sozialisten und der SPD habe der Dialog abgenommen, sagt Angelo Bolaffi, Politologe an der römischen Universität La Sapienza. Die Kommunistische Partei Italiens, die sich trotz ihres Namens schon in den 1970er Jahren zu einer eigentlich sozialdemokratischen Partei entwickelt hatte, habe enge Beziehungen zur SPD unterhalten. Inzwischen sei diese Verbindung für die in DS umbenannte Partei unbedeutend geworden. "Die Entwicklung ist paradox: Die Europäisierung hat die Linken renationalisiert", sagt Bolaffi. "Die nationalen Parteien haben keine Beziehungen mehr miteinander - die Beziehungen werden in Brüssel abgewickelt."
Das ist die Domäne der Partei der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE). Mindestens zweimal jährlich organisiere der Dachverband mit Sitz in Brüssel Treffen der nationalen Parteiführungen, erklärt der SPE-Sprecher Julian Scola. Darüber hinaus fänden regelmäßig Ministertreffen statt, an denen auch die sozialdemokratischen Oppositionssprecher teilnehmen. Meist würden grundsätzliche Fragen diskutiert; bei den Finanzministertreffen könne es etwa um Wachstums- und Investitionsstrategien für Europa gehen. "Die Parteien beeinflussen sich durchaus gegenseitig", sagt Scola. "Ein Führungswechsel in einer der Parteien interessiert die anderen Parteiführer natürlich." Mit Beck habe die SPD nun einen sehr erfahrenen Politiker als Parteichef. "Er wird zu dem Führungstreffen im Juni kommen - die anderen Parteiführer sind schon sehr neugierig darauf, ihn zu treffen." (stu)