Kunst statt Kaufhaus
17. August 2009Ein paar Straßen vom Hamburger Hauptbahnhof entfernt, in Hamburg-Altona. Mitten durchs Herz von Altona führt die Große Bergstraße – einst eine lebhafte Einkaufstraße, hier kamen am Wochenende die Familien zum Großeinkauf in die Warenhäuser.
Das war einmal. Heute sind die Straßen ziemlich ruhig, und die Ansammlung von Läden ist auf Ein-Euro-Shops, Kebap-Läden und mehr als nur ein paar leer stehende Häuser geschrumpft.
Die Stadt macht sich Sorgen, die Künstler feiern
In einem von diesen Häusern schneidet Claere Kaspar gerade den Stoff für das neue Design ihrer eigenen kleinen Kleidermarke und hört hochintellektuelles Radio zur Unterhaltung. Sie steht dabei in einem Schaufenster.
Als die Wirtschaftskrise kam, blieb die Kaufhauskette Karstadt - eine der größten Deutschlands - auf der Strecke. Der Mutterkonzern Arcandor meldete Insolvenz an.
Kaufhäuser wie Karstadt waren in deutschen Innenstädten nicht wegzudenken. Der Gedanke, dass ein Großteil davon verschwinden wird, macht vielen Menschen in Deutschland Sorgen. Die Künstler in Hamburg finden es großartig.
Große Hallen, Partys und Ausstellungen
Seit einigen Monaten gestaltet Kaspar mit einem Kollektiv, bei dem über hundert Künstler dabei sind, den Raum um - in Ateliers, Kunsträume, Arbeitszimmer, Galerien.
"Diese riesige Halle wird auch für Konzerte und Partys genutzt", sagt sie und zeigt auf eine ungenutzte Fläche, die man durch den Haupteingang sieht. "Das ganze Gebäude war ein großes Einkaufsparadies. Karstadt war nur einer von vielen Läden hier."
In dem Gebäude befanden sich auch eine Menge kleinerer Läden - ein Juwelier und ein Reisebüro. Ein paar Flure waren in den 70er und 80er-Jahren vom lokalen Arbeitsamt belegt. Die unterschiedlichen Räumlichkeiten – von ehemaligen Büros bis hin zu den offenen Verkaufsräumen – sie bieten viel Flexibilität.
Angezogen hat das alte Warenhaus-Gebäude unter anderem auch Janine Eckart und Philipp Ricklefs. Sie schaffen gemeinsam Skulpturen: sehr große, verschachtelte, geometrische Kunstwerke. "Wir arbeiten gerade an einer Ausstellung für Ende August", sagt Eckart, die das Modell dafür in der Hand hält. Es sieht klein und leicht aus in ihren Händen; wenn es fertig ist, wird es fast drei Meter groß sein.
Billige Mieten
Fast jeden Tag arbeiten die Künstler hier, um ihre Ateliers in Schuss zu halten. Das heißt unter anderem, Staub zu wischen, der sich seit Jahren hier angesammelt hat. Und nicht nur das: In manchen Teilen des Gebäudes müssen die Kabel neu verlegt und Wasserleitungen neu installiert werden. Es ist eine Heidenarbeit für die Künstler, aber sie lohnt sich. Die Ateliers bekommen sie für rund 75 Euro im Monat.
Ideenaustausch, kreative Beeinflussung, gemeinsam Arbeiten – das Frappant-Projekt trägt jetzt schon Früchte. Zwanzig der Künstler aus dem Warenhaus-Gebäude hatten bereits Anfang August eine Ausstellung in ihren neuen Atelierräumen. Jeder konnte kommen und sehen, wie die Künstler arbeiten und sich ihre Kunstwerke anschauen.
Autor: Matt Hermann
Redaktion: Elena Singer