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Kubas Tourismus boomt nicht überall

14. August 2015

Havanna und Varadero stehen ganz oben auf der Liste ausländischer Besucher. Perlen der Provinz allerdings haben es schwer, Touristen anzulocken.

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Tourismus in Kuba
Touristentraum in Havana: eine Fahrt im restaurierten MercuryBild: Getty Images/AFP/A. Roque

In Santiago de Cuba riecht es nach frischer Farbe. Die Einwohner flanieren auf der erst kürzlich fertiggestellten Hafenpromenade im Lichtschein der neuen Straßenlaternen oder genießen die Meeresbrise auf den neuen Sitzbänken. Was fehlt sind die Touristen.

Während sich ausländische Besucher in Scharen durch die historische Altstadt von Havanna drängen oder die Traumstrände bevölkern, leidet Kubas zweitgrößte Stadt Santiago unter Touristenmangel: Es sind gerade mal zehn Prozent der Touristenmassen, die Havanna jährlich aufweist. Verglichen mit der Halbinsel Varadero - berühmt für ihren 20 Kilometer langen Sandstrand - sind es sogar weniger als fünf Prozent.

Insgesamt wächst der Besucherstrom auf der Karibikinsel stark an, seit die USA und Kuba die Normalisierung ihre Beziehungen angekündigt haben. Dennoch klagen neben Santiago auch andere kubanische Städte über stagnierende Besucherzahlen. Sie fürchten, dass der erwartete Dollarsegen einige Landschaften der heruntergekommenen Karibikinsel blühen lassen wird und andere der wirtschaftlichen Stagnation preisgibt.

Am Ende der Holperpiste

"Sie bewerben Havanna und die Mitte Kubas, aber sie haben Santiago vergessen", sagt Gladys Domenech. Sie vermietet ein Zimmer in ihrer Wohnung in der Altstadt, das eine Terrasse mit einem Rundblick auf die Karibik bietet.

Tourismus in Kuba
Die Regierung hat anlässlich der 500-Jahrfeier Santiagos erheblich in die Renovierung der Stadt investiertBild: picture-alliance/dpa/E. Matrascusa

Die Stadt liegt 800 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Dahinter verwandeln sich die Straßen bald zu Holperpisten, die sich Pferdekarren, Radfahrer und streunende Haustiere mit stinkenden Lastwagen und klapprigen Pkws aus sowjetischer Produktion teilen. Deshalb beträgt die Fahrtzeit mit einem Mietwagen oder im Touristen-Bus oft mehr als 15 Stunden. Die notorisch unzuverlässigen Verkehrsbetriebe für Einheimische brauchen deutlich länger. Für Zugfahrten oder Inlandsflüge müssen sich Reisende stundenlang anstellen, ohne Gewähr auf Erfolg. Aus den USA wird Santiago de Cuba nur drei Mal pro Woche angeflogen. Kreuzfahrtschiffe könnten für mehr Besucher sorgen, aber bisher legen nur wenige an.

"Es ist schwierig für diejenigen, die nach Havanna kommen und zu uns gelangen wollen", sagt Virgin Maria Jerez. Sie besitzt ein elegantes Restaurant nahe der Wohnung der Vermieterin Gladys Domenech in der Mitte von Santiago. "Die Verkehrsverbindung ist entscheidend. Und wir sind abgekoppelt."

Wer es trotzdem bis in die Stadt geschafft hat, findet eine üppige historische Kulisse. Mit Übernachtungsmöglichkeiten, die Touristen wie Einheimische als unter dem üblichen Niveau bezeichnen. Es gibt nur wenige gute Restaurants und kaum Nachtleben. Kubanische Beamte geben die Zahl der Hotelzimmer mit etwa 1500 an. Deutlich weniger, als benötigt werden. Kuba insgesamt verfügt über 60.000 Gästezimmer.

Kuba Santiago de Cuba 500 Jahre Stadtgründung
Kutschfahrt statt öffentlicher Nahverkehr: Auch das ist KubaBild: picture-alliance/Demotix

Koloniales Kulturerbe

Die Touristik-Zentrale von Santiago beklagt, dass die afro-kubanische Kultur der Stadt mit ihren musikalischen Genres Trova und Son nicht genügend internationale Beachtung findet. Auch die gewundenen Straßen mit ihren Häusern aus der spanischen Kolonialzeit seien eine Reise wert. Es gibt sogar einen Unterwasser-Park mit sieben gesunkenen Schiffen aus dem Spanisch-Amerikanischen Krieg, der Bootstouristen und Taucher anlocken soll. "Das ist ein Schatz, den wir vorzeigen müssen", sagt Vicente Gonzales, Leiter des Zentrums für das Unterwasserkultur- und Naturerbe von Santiago.

Attraktiv neben der neuen Promenade am Meer und der renovierten Altstadt sind auch das neue Theater und ein traditionelles Brauhaus mit angeschlossener Kneipe. Alles wurde von der kubanischen Regierung im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Hurrikan Sandy 2012 errichtet. Allerdings schließen fast alle Bars und Clubs gegen 22 Uhr und lassen die Stadt öde und dunkel erscheinen.

50 Jahre nach der Revolution in Kuba
Touristen besichtigen das Mausoleum des kubanischen Nationalhelden José Martí in SantiagoBild: Getty Images/AFP/Y. Lage

Im vergangenen Jahr hatte Santiago 297.918 sogenannte Besuchertage, eine Rechengröße der Tourismusindustrie, für die Ankunftszahlen mit Aufenthaltstagen multipliziert wird. Das waren sechs Prozent mehr als 2013, aber sehr wenig im Vergleich mit der kubanischen Hauptstadt. Dafür berechnete Jose Luis Perello, Professor für Tourismus an der Universität von Havanna, drei Millionen Besuchertage. Varadero kam ihm zufolge auf 7,8 Millionen.

Potenzial für Bildungsreisen

US-Tourismusexperten zeigen sich optimistisch über Santiagos Zukunft. Zwar bliebe US-Amerikanern der Individual-Tourismus in Kuba vorerst verwehrt. Aber sie können an organisierten Bildungs- und Kulturreisen teilnehmen, für die sich Städte wie Santiago gut eigneten. "Die Stadt und die Region haben viel anzubieten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Tourismus in Santiago zu wachsen beginnt ", meint Tom Popper, Leiter von Insight Cuba, einer der größten Anbieter von Kuba-Reisen für US-Bürger. "Schöne Strände finden Touristen aus den USA überall in der Karibik. Aber was sie auf Kuba sehen können, war ihnen für Generationen versperrt."

Andrea Rodriguez (AP); Übersetzung und Ergänzung: Olaf Tost (DW)