Kruzifixe im Klassenzimmer sind rechtens
18. März 2011Die in Klassenzimmern staatlicher Schulen in Italien angebrachten Kruzifixe verstoßen nicht gegen Menschenrechte. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg in einem am Freitag (18.03. 2011) veröffentlichten rechtskräftigen Urteil entschieden. Eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention liege nicht vor.
Die mit 17 Richtern besetzte Große Kammer des EGMR widersprach damit einer Entscheidung einer kleineren Kammer vom November 2009. Diese mit sieben Richtern besetzte Kammer hatte noch entschieden, dass die auf staatliche Anordnung hin aufgehängten Kreuze in den Klassenzimmern Italiens die Rechte der Schüler und der erziehungsberechtigten Eltern verletzten.
Urteil nicht nur für Italien wegweisend
Die Große Kammer betonte nun jedoch, "dass sich nicht beweisen lässt, ob ein Kruzifix an der Wand eines Klassenzimmers einen Einfluss auf die Schüler hat, auch wenn es in erster Linie als religiöses Symbol zu betrachten ist". Der Gerichtshof habe im Prinzip die Entscheidungen der Staaten auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts zu respektieren. Das gelte auch für den Stellenwert, den sie der Religion beimessen, "sofern diese Entscheidungen zu keiner Form der Indoktrinierung führen".
Im vorliegenden Fall hatte die Italienerin Soile Lautsi ihren Staat verklagt, weil sie nicht akzeptieren wollte, dass ihre beiden Söhne unter einem Kreuz an der Wand unterrichtet werden. Obwohl es natürlich um Klassenzimmer in Italien ging, ist die Entscheidung der Straßburger Richter wegweisend auch für andere europäische Länder.
"Sieg des europäischen Volksgefühls"
Die italienische Regierung begrüßte das Straßburger Urteil. "Heute hat das europäische Volksgefühl gesiegt", sagte Italiens Außenminister Franco Frattini. Das Urteil respektiere das Gefühl der Bürger für Werte und für die eigene Identität.
Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz äußerte sich zufrieden. Ihr Vorsitzender, Erzbischof Robert Zollitsch, bezeichnete das Anbringen eines Kreuzes und anderer allgemein religiöser Symbole im öffentlichen Raum als einen "unaufdringlichen Ausdruck" des Staates zu seiner Identität und seinen Werten. Der Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Reinhard Mawick, sagte: "Wir begrüßen das Urteil, weil es die unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Religion und Staat in den Ländern Europas würdigt."
Vor allem CSU-Politiker erfreut
In Deutschland waren es vor allem CSU-Politiker, die sich zu dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte äußerten - unisono positiv. Bayerns Justizministerin Beate Merk sagte, das Kreuz stehe für die christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte. Bei allem Respekt für die Glaubens- und Gewissensfreiheit dürfe das "Wertekorsett", das die Gesellschaft zusammenhalte, nicht der Gleichgültigkeit geopfert werden.
Ähnlich äußerte sich die neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Und der stellvertretende Unionsfraktions-Chef Johannes Singhammer erklärten, dass Gericht habe klargestellt, "dass die Wurzeln Europas und der Menschenrechte auf der christlich-jüdischen Tradition wachsen". Damit hätten die Richter in Straßburg das klare Signal gesetzt, dass die christliche Religion nicht immer weiter zurückgedrängt werden dürfe, sondern dass das Kreuz seinen Platz mitten in der Gesellschaft Europas behalte müsse.
Autor: Stephan Stickelmann (afp, dpa, epd, kna)
Redaktion: Dirk Eckert