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Kroatische Hooligans vs. Fußballmafia

Zoran Arbutina24. Juni 2016

Bizarre Szenen bei der EM in Frankreich: Kroatische Fußballfans kämpfen gegen die eigene Nationalmannschaft. Dahinter steckt eine Geschichte über Gewalt, Korruption und einen Fußballpaten.

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Frankreich Fußball-EM Tschechien vs. Kroatien Bengalos vom Kroaten-block (Foto: Reuters/R. Pratta)
Bengalos vom KroatenblockBild: Reuters/R. Pratta

Plötzlich wurde es still am Jelacic-Platz im Zentrum von Zagreb: Etwa 20.000 Fußballfans, versammelt beim größten Public Viewing in der kroatischen Hauptstadt, schauten fassungslos und stumm auf die Bilder auf der riesigen Leinwand. Es lief die 86. Spielminute, die kroatische Nationalmannschaft führte im Spiel gegen Tschechien mit 2:1, als plötzlich aus dem kroatischen Fanblock im Stadion von St. Etienne Bengalos und andere Feuerwerkskörper auf das Spielfeld prasselten. Kurz danach kam es auf der Tribüne zu einer Schlägerei unter den kroatischen Fans. In Zagreb und in ganz Kroatien konnte man nicht glauben, was man sah: dass kroatische Fußballhooligans versuchten, eine Spielunterbrechung zu erzwingen und damit die kroatische Nationalmannschaft nach Hause zu schicken. Ein Fußballfest verwandelte sich in einen Albtraum.

Zdravko Mamic (Foto: Jurica Galoic/PIXSELL)
Der "Fussballpate" des kroatischen Fussballs: Zdravko MamicBild: picture-alliance/Jurica Galoic/PIXSELL

Doch wirklich überraschend kam das alles nicht. Schon Tage vor dem Spiel schrieb die kroatische Presse von der Absicht einiger Ultras, durch Krawalle in St. Etienne das Spiel unterbrechen zu wollen und so eine Strafe des kroatischen Fußballverbandes seitens der UEFA zu erzwingen. Es war die Rede von Namenslisten amtlich bekannter Hooligans, die nach Frankreich übermittelt wurde. Und man spekulierte über logistische Unterstützung durch befreundete französische Ultras, die schon im Vorfeld des Spiels verschiedene Feuerwerkskörper ins Stadion schmuggeln sollten.

Ein "Krebsgeschwür" des kroatischen Fußballs

In allen diesen Berichten fiel ein Name auffallend oft: Torcida. Dabei handelt es sich um eine Fanorganisation des traditionsreichen Fußballklubs Hajduk aus der südkroatischen Stadt Split. Diese Ultra-Gruppierung ist seit Jahren im offenen Krieg mit Zdravko Mamic, dem starken Mann des kroatischen Fußballs. Er gilt als Fußball-Pate mit besten Verbindungen zu Politik, Justiz, Polizei und Medien. Er lenke den kroatischen Fußballverband, den Ligaverband und den Schiedsrichterverband, so die Vorwürfe.

Mario Mandzukic hebt eine Bengalofackel auf (Foto: Reuters/R. Pratta)
Entsetzt über die eigenen Fans: Der kroatische Stürmer Mario Madzukic versucht, den Schaden zu minimierenBild: Reuters/R. Pratta

Außerdem habe er sich den Fußballverein Dinamo aus der Hauptstadt Zagreb unter den Nagel gerissen. Diesen traditionsreichen und offiziell gemeinnützigen Verein führe Mamic als Familienunternehmen und missbrauche ihn als Geldmaschine. Sein Bruder Zoran, früher Profi bei Bayer Leverkusen, war dort lange Zeit Sportdirektor und Trainer. Hohe Dinamo-Funktionäre wechseln oft und nahtlos in die Strukturen des Nationalverbandes. In der deutschen Presse ist von Zdravko Mamic als einem "Krebsgeschwür" die Rede, "das sich tief in die Strukturen des Sports und die der kroatischen Gesellschaft gefressen hat".

Spiele vor leeren Rängen

Ähnlicher Ansicht war auch USKOK - die kroatische Behörde zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Sie klagte Zdravko Mamic, seinen Bruder Zoran und Damir Vrbanovic vom kroatischen Fußballverband wegen Veruntreuung, Steuerhinterziehung und Bestechung an. Dem Trio wird vorgeworfen, sich an lukrativen Auslandstransfers persönlich bereichert und Dinamo Zagreb damit um mindestens 15 Millionen Euro geschädigt zu haben. In "den Deal" seien auch Stars wie Luka Modric von Real Madrid und Dejan Lovren vom FC Liverpool mit einbezogen. Hinzu kommt eine mutmaßlich siebenstellige Summe, die mithilfe korrupter Finanzbeamter am Fiskus vorbeigeschleust worden sein soll. Die drei Beschuldigten kamen in Untersuchungshaft, nach nur elf Tagen wurden sie allerdings dank guter Verbindungen und gegen Zahlung einer Kaution zunächst auf freien Fuß gesetzt.

Tschechien vs. Kroatien - Kroatische Fans feiern den Führungstreffer ihrer Mannschaft (Foto: Reuters/R. Pratta)
Es hätte ein Fussballfest sein können: Kroatische Fans feiern den Führungstreffer ihrer MannschaftBild: Reuters/R. Pratta

Nicht nur für bei den Ultras von Torcida - bei vielen Fußballfans in Kroatien lösen solche Machenschaften Enttäuschung und Wut aus. Die Liga wird als korrupt empfunden, viele sind davon überzeugt, dass Dinamo Zagreb nur durch Geld und Mamics Manipulationen zum elfmaligen Dauermeister werden konnte. Selbst die Bad Blue Boys (BBB), wie sich die Mitglieder des Fanklubs von Dinamo nennen, boykottieren die Spiele der eigenen Mannschaft, weil Mamic "ihnen den Klub geklaut hat".

Hooligans gegen den Goliath?

Inzwischen ist man aber davon überzeugt, dass Mamic und seine Clique nicht nur Dinamo, sondern die ganze Nationalmannschaft "geklaut hat". So hätte Mamic den jetzigen Nationaltrainer Ante Cacic, bisher auch in Kroatien einen eher unbekannten und international unerfahrenen Trainer, aus dem Hut gezaubert und eigene Spieler in der Nationalelf platziert. Dadurch wolle er deren Preis auf dem internationalen Fußballmarkt erhöhen - wovon dann auch er persönlich in hohem Maße profitieren würde. Selbst Verbandspräsident Davor Suker, Kroatiens WM-Held von 1998, sei nichts weiter als ein Strohmann für Mamics Machenschaften, eine Marionette - da sind sich in Kroatien viele sicher. Und alles sei ohnehin nur möglich gewesen, dank großer und tatkräftiger Unterstützung aus der Politik.

Davor Suker (Foto: Goran Stanzl/PIXSELL)
Davor Suker, ein früherer Fussballheld, gilt als MarionetteBild: picture-alliance/PIXSELL/G. Stanzl

Da die zahlreichen Proteste und Spielboykotte in der Vergangenheit nichts brachten, resignierten viele Fans und wandten sich vom Fußball ab. Die Stadien in Kroatien sind leer, die Liga gilt als schwach und uninteressant. Nur der harte Kern der Ultras und Hooligans setzt seine Enttäuschung in das um, was er am besten kennt: Provokation, Krawalle und Gewalt. Die Logik dahinter: Wenn wir gegen Korruption und alle Mamics der kroatischen Fußball kämpfen wollen, dann nehmen wir die ganze Nation als Geisel. Wir werden so lange die Strafen der FIFA und UEFA erzwingen, bis die Strukturen sich ändern.

Mit Rassismus gegen Korruption

Und so kommt es zum absurden Krieg der Fußballfans gegen die eigene Nationalmannschaft. Fast jeder Auftritt der "Feuerigen", wie man in Kroatien das Nationalteam nennt, ist von Ausschreitungen und Krawallen begleitet. Alles ist erlaubt. Mal wird ein wildes Feuerwerk auf den Tribünen veranstaltet, ein anderes Mal sucht man Schlägereien mit Fans der anderen Mannschaft. Es werden rassistische oder faschistische Parolen skandiert, oder mal auch ein Hakenkreuz in den Rasen eingebrannt.

UEFA EURO 2012 - Kroatische Hooligans randalieren (Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach )
Die Ausschreitungen in Frankreich waren kein Einzelfall - schon früher (hier bei der EURO 2012 in Polen) haben kroatische Hooligans randaliertBild: Reuters

Und die internationalen Fußballverbände reagieren prompt: Über eine Million Euro Geldstrafen musste der kroatische Fußballverband bisher zahlen, mehrmals spielte die Mannschaft zu Hause vor leeren Tribünen und es gab auch schon einen Punktabzug in der EM-Qualifikation. Auch die nächsten zwei Heim-Qualifikationsspiele für die WM 2018 werden ohne Publikum stattfinden, ebenso ein Spiel in der Qualifikation für die EM 2020.

Hooligans in den Ehrenlogen

Das Ende des Konflikts ist nicht in Sicht. Zdravko Mamic scheint so fest im Sattel zu sitzen wie eh und je. Seine Unterstützer in Wirtschaft, Politik, Justiz und bei der Polizei wollen den geschickten Geldbeschaffer nicht fallen lassen. Andererseits kündigen die Ultras und Hooligans von Torcida und von BBB den Kampf "bis zum Endsieg" an. Ein Zagreber Online-Portal schreibt dazu: "So lange die Hooligans in den Ehrenlogen sitzen, so lange werden die Hooligans von den Tribünen das Spielfeld mit ihren Bengalos zuschütten". Die UEFA hat bei der milden Bestrafung nach den Ereignissen von St. Etienne angekündigt, die kroatische Nationalmannschaft beim nächsten Mal hart zu bestrafen.