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Häusliche Gewalt in Kroatien

26. November 2009

Jedes Jahr findet im November der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen statt. Das Problem ist auch ein Thema in Europa. In Kroatien beispielsweise greifen viele Maßnamen noch immer zu kurz.

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Jede zweite Kroatin erfährt GewaltBild: picture-alliance / Lehtikuva

Alle 15 Minuten erlebt eine Frau in Kroatien körperliche Gewalt. Das sagt zumindest das Frauenforum der kroatischen Sozialdemokraten und bedauert, dass das Problem immer nur von Fall zu Fall thematisiert werde, insbesondere alljährlich an dem von der UN vor zehn Jahren ins Leben gerufenen Internationalen Tag im Kampf gegen Gewalt an Frauen.

Bis Ende September hat die kroatische Polizei mehr als 14.000 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt aufgenommen. Die Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für Gleichberechtigung, Gordana Sobol, weist auf die Dunkelziffer hin: „Schätzungen zufolge gibt es mindestens fünfmal so viel Gewalt und gewalttätiges Verhalten, das nicht angezeigt wird.“

Auf Gewalt folgt oft Tortur

Untersuchungen der Nicht-Regierungsorganisation „Autonomes Frauenhaus“ an tausend Frauen im Alter von 18 bis 65 haben gezeigt, dass jede zweite Frau eine Form der Gewalt erlebt hat. Jede dritte Frau sei von ihrem Partner sexuell misshandelt worden. NGO-Mitglied Neva Tölle sagt, nach der Misshandlung folge eine weitere Tortur: beim Durchlaufen der Polizeidienststellen, des Sozialamtes, beim Amts- und Strafgericht. Alle öffentlichen Einrichtungen müssten für Fälle von misshandelten Frauen sensibilisiert werden.

Symbolbild Gewalt gegen Frauen
Bei Anzeigen folgt oft ein demütigender ÄmtergangBild: Picture-Alliance / Photoshot

Tölle meint weiter: „Bedauerlich ist auch, dass sie immer noch nicht dazu in der Lage sind, mit den Frauen umzugehen. Da stellt sich doch die Frage, nach welchen Programmen die Herrschaften weitergebildet werden: Ob sie sie selbst zusammengestrickt haben oder ob es gängige Programme sind, nach denen Westeuropa und Amerika arbeiten. Diese Frage stelle ich Jahr um Jahr – eine Antwort habe ich bis jetzt noch nicht bekommen“, stellt Tölle fast resigniert fest.

Kritik an geltender Rechtslage

Schwester Suzana Samardzic leitet ein Caritas-Heim für Frauen und Kinder als Opfer von Gewalt in Rijeka. Sie weist auf einen absurden Umstand hin: „Auf Schreiben und Urteilen des Gerichts befindet sich die aktuelle Adresse der Opfer. Der Gewalttäter bekommt somit Informationen von allerhöchster Stelle, wo sich seine Kinder und seine von ihm misshandelte Ex-Frau befinden.“ Samardzic zufolge verhält sich das Gericht damit dem Opfer gegenüber unfair. „Die Frau wird im Kampf gegen Gewalt obdachlos – und das mit ihren Kindern. Es gibt kein Gesetz, nach dem der Gewalttäter aus der Familienwohnung entfernt werden kann.“ In Kroatien müssen die Opfer ihr Zuhause verlassen, erläutert Sobol.

Mutter mit Kind
Mütter wissen häufig nicht wohin mit sich und ihren KindernBild: das-fotoarchiv.com

In 16 Frauenhäusern, die bis 2008 in Kroatien eröffnet wurden, stehen lediglich 330 Plätze zur Verfügung. Dort erhalten Frauen und ihre Kinder Unterkunft, Verpflegung und Gesundheitsversorgung. Darüber hinaus bekommen die Frauen psychosoziale und juristische Beratung. Mitunter ist es auch möglich, in einigen Berufen eine kostenlose Ausbildung zu erhalten. Die Frauen stehen unter dem Druck, schnellstmöglich Arbeit zu finden, da sie in der Regel keinen Unterhalt von ihren meist arbeitslosen Ex-Männern erhalten. Auch auf ihren Wohneigentumsanteil müssen sie in der Regel verzichten, wenn dort der Partner weiter wohnt, aber den an die Ex-Partnerin aus Geldmangel nicht auszahlen kann.

Zur Rückkehr gezwungen

Frauenrechtlerinnen kritisieren eine Ungereimtheit im Steuerrecht. So könnten Frauen die Kinder nicht ohne Einwilligung des Vaters in die eigene Steuerkarte eintragen lassen, selbst wenn dieser gewalttätig sei. Außerdem würden Frauen aus Beziehungen, in denen sie Gewalt erfahren haben, nicht bei der Verteilung von Sozialwohnungen vorrangig behandelt. Häufig kämen sie lediglich irgendwo zur Untermiete unter. „Nicht selten sind die Frauen gezwungen, zum Gewalttäter zurückzukehren“, sagt Schwester Suzana.

Autorinnen: Tatjana Mautner / Mirjana Dikic

Redaktion: Birgit Görtz