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Kritik von Hilfsorganisationen

Fritz Tänzer26. Juni 2005

Sechs Monate nach dem Tsunami gedenkt ganz Asien der fast 200.000 Opfer der Flutkatastrophe. Hilfsorganisationen legten ihre Zwischenberichte vor. Darin sparen sie auch nicht mit Kritik an anderen Helfern.

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Allein in Banda Aceh werden die Schäden auf 4,5 Milliarden Dollar geschätztBild: AP

Die Hilfe für die Flutopfer des Tsunami kam aus der ganzen Welt. Allein in Deutschland wurden über 500 Millionen Euro gespendet, um den Menschen, die alles verloren haben, mit dem Nötigsten zu helfen. 500 Hilfsorganisationen aus aller Welt eilten in die Krisenregionen und kämpften dort gegen das Chaos: Hunger, Durst und drohende Seuchen mussten zuerst bekämpft werden, Notunterkünfte geschaffen und viele Tote beerdigt werden.

Bereits über zwei Milliarden gesammelt

Seebeben Airbus A 310 MRT MedEvac nach Thailand
Behandlungsplätze in einem Airbus A 310 MRT MedEvac der Flugbereitschaft der LuftwaffeBild: AP/Presse- und Informationszentrum der Luftwaffe

Die Helfer gehen heute davon aus, die schlimmsten Missstände abgestellt und die Situation im Griff zu haben. Aber vor ihnen liegt noch die eigentliche Arbeit: der Wiederaufbau einer völlig zerstörten Infrastruktur. Sechs Monate nach der Katastrophe haben zahlreiche deutsche und internationale Hilfsorganisationen Bilanz gezogen. Überwiegend ist man mit dem Geleisteten zufrieden, und immer wieder wird auf die enorme Spendenbereitschaft der Menschen hingewiesen. Über zwei Milliarden Dollar haben die Vereinten Nationen aus privaten Spenden zur Verfügung, doch wird das noch lange nicht reichen.

Aber auch Kritik wird laut. Manche Helfer sollen zu schnell zu Werke gegangen sein, manches Geld hätte besser anderswo ausgegeben werden sollen, und einzelnen Organisationen wird sogar vorgeworfen, mit der Hilfe Geld verdienen zu wollen. Auch untereinander machen sich die Helfer Vorwürfe. Immer deutlicher wird zudem kritisiert, dass man bei aller Hilfsbereitschaft nicht vergessen darf, die Menschen beim Wiederaufbau ihres Landes mitzunehmen.

Seebeben Thailand deutsche Touristen zurück in Frankfurt
Ein Ueberlebender der Flutkatastrophe nach seiner Rückkehr in FrankfurtBild: AP

Die Caritas kritisierte als erste Organisation, dass derzeit zwar unglaubliche Summen für die Opfer des Tsunami gespendet würden, die Mittel für die Hilfe in anderen Krisenregionen der Erde aber immer knapper würden. Deshalb spricht sie sich für langfristig koordinierte Entwicklungshilfe auf der ganzen Welt aus.

Opfer müssen in Programme integriert werden

Die Diakonie Katastrophenhilfe bezeichnete "die Vorstellung, im Falle einer Katastrophe unmittelbar allen Menschen helfen zu können, denen im normalen Alltag schon der Zugang zu Nahrung, Wasser und Gesundheitsversorgung fehlt" als realitätsfern. Auch wies die "Diakonie Katastrophenhilfe" darauf hin, dass mehr als bisher die Menschen in den Regionen selbst in den Wiederaufbau einbezogen werden müssten. Wenn sie wieder Arbeit hätten, könnten sie auch ihr Trauma überwinden. Vielen sei eine Arbeit wichtiger als ein neues Haus. Das sei von vielen Hilfsorganisationen ignoriert worden.

Verwüstung in Thailand nach schwerem Erdbeben
Verwüstetes Dorf in ThailandBild: AP

Um die einzelnen Hilfsorganisationen besser koordinieren und überwachen zu können, wurde in Nagapattinam, einem der am schlimmsten betroffenen Orte, ein Koordinationszentrum eingerichtet. Ajai Jacob, der Programmkoordinator sagte gegenüber der Deutschen Welle: "Niemals zuvor in der Geschichte Indiens gab es eine solch überwältigende Resonanz. So viele Menschen, die freiwillig helfen wollten. Doch nach etwa einem Monat, nach dem Ende der Nothilfe, wurde offensichtlich, dass fast keine der Hilfsorganisationen jemals mit den Fischern gearbeitet hatte. Das Verständnis für die Wirtschaft in Küstengebieten oder die Probleme der Fischer, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, war völlig unzureichend." Viel zu viele Bote habe man angeschafft, die oftmals gar nicht seetauglich waren, so dass zahlreiche Fischer ums Leben gekommen sind. Auch würde die Zahl der Bote dazu führen, dass die Gewässer bald überfischt seien.

Tote durch falschen Einsatz

Auch die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) weist darauf hin, dass einige Organisationen Fischerboote gekauft haben, die nicht seetüchtig sind, oder Boote nicht fachgerecht repariert haben. Der Fischereiexperte der Organisation Jeremy Turner sagte: "In einigen Fällen sind durch falsches Handeln der Hilfsorganisationen Katastrophen programmiert, die im Verlust von Menschenleben enden werden."

Verzweiflung
Verzweiflung im ganzen Land. Die Helfer stehen vor riesigen Aufgaben

Ulrich Füßler vom Hilfswerk Miseror kritisiert: "Es gibt Organisationen, die versuchen, sich dauerhaft vor Ort einzurichten, und über enorme Mittel verfügen. Sie verfügen jedoch über keine Erfahrung in der Entwicklungsarbeit und haben keine oder nur unzureichende lokale Partneranbindung. Dabei werden Territorien markiert und im wahrsten Sinne des Wortes wird Flagge gezeigt." Füßler fügte hinzu, dass zu oft wirtschaftliche Interessen beim Wiederaufbau im Vordergrund stünden. Die Regierungen der betroffenen Länder planten den Wiederaufbau über die Köpfe der Menschen hinweg.

Aus Unkenntnis der Lage Spenden verschwendet

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur "Evangelischer Pressedienst" bemängelte die Theologin und Direktorin der Diakonie Katastrophenhilfe und Brot für die Welt Cornelia Füllkrug-Weitzel zahlreiche Missstände. Einerseits sei die internationale Hilfe mittlerweile ein lukrativer Markt geworden, und einzelne Organisationen wollten auf diese Weise Geld machen. Oft kämen auch Organisationen zum Einsatz, die die landesspezifischen Eigenheiten der betroffenen Gebiete nicht hinreichend kennen. So sei es in vielen Gegenden stets üblich gewesen, dass verwaiste Kinder in Großfamilien aufgenommen werden. Es sei daher völlig überflüssig, wenn jemand Hilfsgelder in den Bau von Waisenhäusern investiere.