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Jubel-Veranstaltung

Das Interview führte Martin Schrader19. November 2008

Ganz in bayerischer Art findet der IT-Unternehmer Joachim Graf aus München deftige Worte zum 3. Deutschen IT-Gipfel in Darmstadt. Das sei eine Jubel-Veranstaltung ohne Wert für die Firmen der Branche, meint er.

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***Achtung: Nur zur mit Joachim Graf abgesprochenen Berichterstattung verwenden!*** Beschreibung auf: http://www.ibusiness.de/impressum/ib_impressum.150201dt.025882jg.html Joachim Graf, Herausgeber, Publisher, Zukunftsforscher und Future Evangelist für Kommunikations- und Medienkonvergenz
Joachim Graf: "Es kommt immer auf die Kleinen an"Bild: Joachim Graf / HighText Verlag

Joachim Graf ist IT-Unternehmer und Sprecher des Förderkreises IT- und Medienwirtschaft München. Er gibt das Internet-Magazin "iBusiness" heraus.

DW-WORLD.DE: Deutschland steckt in einer Rezession. Etliche Branchen klagen über schwache Geschäfte – die Banken, die Autobauer, der Einzelhandel sowieso. Die IT-Branche ist in dieser Hinsicht vergleichsweise still. Ist alles eitel Sonnenschein bei den Unternehmen der Informationstechnologie?

Joachim Graf: Nein. Aber klar ist, wenn die Wirtschaft in eine Krise rauscht, werden Unternehmen anfangen zu optimieren und zu sparen. Das bedeutet: Im IT- und Internet-Bereich wird mehr Geld ausgegeben, weil ich mit IT-Systemen, mit einer besseren Datenverarbeitung, mit mehr Online und Internet, einfach Geld spare.

Werden Forderungen nach staatlichen Hilfsgeldern kommen?

Es wird sicher aus irgendeiner Ecke wieder irgendetwas kommen. Denn die großen Jungs in der IT-Branche nehmen natürlich gerne die Subventionen mit. Genauso wie die großen Jungs aus allen anderen Branchen. Aber diejenigen, auf die es ankommt, die werden sicher nicht nach Hilfen schreien.

Auf wen kommt es an?

Es kommt immer auf die Kleinen an. Alle Studien sagen, dass die wirklichen Fortschrittstreiber die kleinen und die mittelständischen Unternehmen sind. Die haben weder die Zeit noch die Manpower, sich nach Subventionen umzugucken. Die müssen einfach Geschäfte machen. Und deswegen werden die ihr Ding weiter tun.

Am Donnerstag (20.11.2008) findet der 3. Deutsche IT-Gipfel in Darmstadt statt. Werden die "Kleinen", auf die es ankommt, wie Sie sagen, überhaupt vertreten sein?

Natürlich nicht. Um die geht es ja auch nicht. Das ist ein Aufgalopp der Großen, die sich gegenseitig bejubeln. Ein Medienevent für Verbands-, Polit- und IT-Funktionäre, die sagen: 'IT haben und können wir auch. Und wir sind überhaupt ganz toll.' Letztlich ist es ein reiner Lobbytermin. Für die Branche, für das Geschäft ist der völlig sinnlos.

Ein Schlüsselthema bei diesem IT-Gipfel soll die Förderung des Nachwuchses sein. Interessieren sich in Deutschland zu wenig junge Menschen für Bits und Bytes, Technik und Computer?

Nein, ganz im Gegenteil. Aber es gibt das Problem, dass Deutschland ein Bildungssystem hat, das sehr stark strukturiert ist. Auf der einen Seite ist das ein großer Vorteil. Auf der anderen Seite ist das für Märkte, die sich schnell ändern, auch ein Nachteil. Weil ganz viel von dem, was man heute oder in 12 oder 24 Monaten braucht, an Schulen und Universitäten überhaupt nicht vermittelt wird. Und wenn heute wirklich gute junge Leute in das Business einsteigen wollen, dann studieren sie vielleicht, aber machen dann ihr eigenes Ding. Viele gehen ins Ausland. Die jungen Leute kann man nicht über den klassischen Weg in die Branche bringen. Und viele brauchen das nationale Bildungssystem gar nicht: Sie gehen in die USA, nach Japan oder Singapur oder sonstwo hin.

Sie deuten es bereits an: Vor allem US-Firmen setzen stark auf ausländische Arbeitskräfte. Gibt es da in Deutschland noch zu große Barrieren?

Ich glaube, das ist nicht das Problem. Ich glaube, das Problem liegt darin, dass es keine Durchdringung zwischen dem Forschungsbereich, dem Schulungsbereich, dem Weiterbildungsbereich und dem Business-Bereich gibt. Dazwischen gibt es Hürden, diese Bereiche sind nicht ausreichend vernetzt. Erfolgreich wird man dann, wenn Forschung, Markt-Know-How, Business-Wille und Kapital zusammenkommen. Das ist in Deutschland schwierig zu machen. Das liegt vielleicht an unserer Mentalität, dass wir alles hübsch getrennt haben wollen. Konvergenz ist nicht so unser Ding. Das funktioniert auf anderen Märkten, insbesondere in den USA, sehr viel besser.

Ist es denn da nicht zumindest ein gutes Signal, einen solchen Gipfel von politischer Seite aus zu organisieren, damit verschiedene Experten aus verschiedenen Bereichen zusammenkommen?

Wenn es ein gutes Signal ist, dass irgendwelche Leute, die sich für wichtig halten oder die wichtig sind, sich vor 500 oder 1000 Leute hinstellen und sagen: 'Ich bin wichtig. Ich bin toll!', dann ist das natürlich ein positives Signal. Das hat aber letztlich keine Auswirkungen. Denn dazu müssten die Inhalte des Gipfels operativ heruntergebrochen werden. Dazu müsste das in die Breite gehen. Und das passiert ja nun alles nicht. Das ist eine Leuchtturm-Veranstaltung: Die ist einmal im Jahr und dann ist wieder Ruhe.

Sie haben jetzt Gelegenheit zur Medienkritik. Kommt das Thema Informationstechnologie zu kurz in den Medien. Berichten wir zu viel über Maschinenbauer, über Autoproduzenten und zu wenig über die Technik?

In den visuellen Medien ist das natürlich immer ganz klar. Eine laufende Maschine sieht immer viel toller aus als ein laufender Computer, bei dem nur ein Monitor flimmert. Auch da ist wieder das Problem, dass man den Mut haben müsste, sich auch mal kleine Firmen anzugucken und nicht immer bei den Siemens', IBMs und SAPs dieser Welt vorbei zu gehen. Da haben die Medien das gleiche Problem wie die Politik. So eine kleine Firma mit 10, 20 oder 50 Arbeitsplätzen ist ja nun nicht wirklich wichtig und fällt folglich immer relativ leicht hinten herunter. Auf der anderen Seite haben natürlich auch die kleinen IT-Firmen alle das Problem, dass sie, was Marketing und PR angeht, nicht wirklich gut sind. Sie haben weder die Zeit noch das Geld dafür.

Ein weiteres wichtiges Thema beim IT-Gipfel wird die Sicherheit im Netz sein, die Sicherheit der IT. Was muss getan werden und was muss vielleicht sogar unterlassen werden von Seiten der Politik, um angemessene Sicherheit im Netz zu gewährleisten?

Das Problem der Sicherheit im Netz ist mehrschichtig. Zum einen muss man sich damit abfinden, dass ganz viel nicht regulierbar ist. Auch wenn man es vielleicht wollte. Wir müssen uns sehr viel stärker auf die Medienrezeption, also auf die Benutzung der Medien und die Aufklärung darüber, konzentrieren. Sie bekommen nicht alles gefiltert und gesichert. Wir müssen uns auch um das Problem des Persönlichkeitsschutzes, der digitalen Reputation, kümmern: Wie geht man eigentlich mit persönlichen Daten um? Ich hoffe, dass der Herr Schäuble jetzt mit seinem BKA-Gesetz eins auf die Mütze bekommt. Denn diese Online-Durchsuchung ist tatsächlich ziemlich übel. Der Staat sollte sich aus dem persönlichen Wohnzimmer – und das ist nun mal auch der PC – heraushalten. Die Politik sollte sich davon verabschieden, immer wenn irgendwo auf der Welt etwas passiert, sofort wieder an strengere Gesetze zu denken. Erstens funktioniert es nicht und zweitens ist das auch nicht sinnvoll.

Herr Graf, vielen Dank für das Gespräch.