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Krisentreffen in Washington

Rolf Wenkel6. Oktober 2014

Beim Jahrestreffen von IWF und Weltbank gibt es nichts zu lachen: Die Weltwirtschaft schwächelt, und neue Krisenherde und neue Gefahren an den Finanzmärkten trüben die Stimmung.

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Logo Zentrale IWF in Washington (Foto: DW)
Bild: DW/A.Becker

Wenn sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesbankpräsident Jens Weidmann in dieser Woche bei der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank mit ihren Kollegen aus 187 Staaten in Washington treffen, wird sich die gute Laune der Teilnehmer in Grenzen halten. Der Grund: Mit Ausnahme der USA ist das Wirtschaftswachstum weltweit mehr als mau, und obendrein drohen die Ebola-Seuche und viele geopolitische Krisenherde das Wachstum rund um den Globus zusätzlich zu gefährden.

Sechs Jahre nach der schweren Finanzkrise sei die Weltwirtschaft immer noch sehr schwach, litten viele Länder immer noch unter den Spätfolgen der Finanzkrise, sagt IWF-Chefin Christine Lagarde. Das zeige sich in dem hohen öffentlichen und privaten Schuldenstand in vielen Ländern und an der hohen Arbeitslosigkeit. "Zudem sehen wir neue dunkle Wolken am Horizont", sagte sie vergangenen Donnerstag in einer Grundsatzrede vor Studenten der Georgetown Universität in Washington.

Alte Krisen, neue Gefahren

Die Konflikte in der Ukraine, im Nahen Osten und in Asien könnten Turbulenzen an den Finanzmärkten erzeugen und sich verheerend auf die Rohstoffpreise auswirken , so Lagarde. Auch müsse man den Ausbruch des Ebola-Virus ernst nehmen und nicht nur darüber reden. Den Schwellen- und Entwicklungsländern machte sie kurz vor der Jahrestagung in Washington große Komplimente: Sie hätten in der Krise einen großen Teil der Lasten getragen - und seit 2008 rund vier Fünftel zum globalen Wachstum beigesteuert.

Indes: Auch diese Länder müssten sich damit abfinden, dass ein hohes Wachstumstempo nicht auf ewig durchzuhalten ist, so Lagarde. Die Tatsache, dass die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gerade einen eigenen Währungsfonds und eine eigene Entwicklungsbank auf den Weg gebracht haben, überging die IWF-Chefin kommentarlos: Über Nachahmer spricht man nicht, man hat sie einfach.

Schattenbanken machen Sorgen

Was dem IWF Sorgen macht und bei den Beratungen in Washington sicherlich eine Rolle spielen wird, ist die schnell wachsende Rolle der so genannten Schattenbanken. Das sind Geldsammelstellen wie Hedgefonds oder Pensionsfonds, die zwar bankähnliche Geschäfte machen, aber eben nicht der strengen Bankenkontrolle der Banken unterliegen.

Seit Ausbruch der Finanzkrise ist die Warnung nie verstummt, dass sich das immer schärfer beaufsichtigte Kreditgeschäft der privaten Banken womöglich in schwächer regulierte Sektoren des Finanzmarkts zurückziehen könnte. Getrieben wird diese Entwicklung von einer Mischung unterschiedlicher Probleme: härtere Bankenregulierung, niedrige Zinsen und überreichliche Liquidität.

Die weltweit größten Schattenbankensektoren haben laut IWF die USA, der Euroraum und Großbritannien. In Großbritannien sind die Vermögenswerte dieses Sektors gemessen an der gesamten Wirtschaftsleistung mehr als doppelt so groß wie irgendwo anders. In den USA sind sie sogar größer als die des traditionellen Bankensektors. In den USA und im Euroraum nimmt der Anteil der Schattenbanken an der Finanzierung immer noch zu, und in China macht er nach IWF-Angaben bereits 25 bis 35 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus.

Raus aus der lockeren Geldpolitik

Sorgen macht dem IWF neben dem schnell wachsenden Schattenbankensektor auch die "asynchrone" Geldpolitik der Notenbanken in den Industrieländern. Während die USA bereits ihre ultralockere Geldpolitik schrittweise zurückfahren, trifft EZB-Präsident Mario Draghi gerade alle Vorkehrungen, um den Banken an der südlichen Peripherie der Eurozone Schrottpapiere abzukaufen.

"Eine lockere Geldpolitik hat in der Krise das schlimmste verhindert, und alle Zentralbanken der Industrieländer haben dieses Mittel angewendet", sagt IWF-Chefin Christine Lagarde. "Aber das allein kurbelt keine Wirtschaft an. Nur mit Verteidigern schießen Sie keine Tore."

Deshalb fordert sie kurz vor der Jahrestagung in Washington die Politik zu entschlossenerem Handeln auf. Strukturreformen auf den Produkt- und Arbeitsmärkten seien genauso vonnöten wie eine nachhaltige Haushaltspolitik und Investitionen der öffentlichen Hand in die Infrastruktur. Allein für Infrastruktur-Investitionen schätzen Experten einen weltweiten Bedarf von rund 6 000 Milliarden Dollar in den nächsten 15 Jahren.