Krisen aus eigener Kraft lösen
9. Juli 2004"Außer Reden nichts gewesen" könnte die vorschnelle Bilanz des Gipfeltreffens der Afrikanischen Union (AU) lauten - jedenfalls dann, wenn sie von 'hoher europäischer Warte' aus gezogen wird. Das wäre die übliche Überheblichkeit, die Afrika immer wieder Rezepte von außen nahe gelegt oder aufgezwungen hat. Der Export von Modellen, für die in Afrika die historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen fehlen, birgt aber von vornherein die Gefahr des Scheiterns in sich.
Eine Organisation ohne Mittel ist aktionsunfähig, eine Organisation ohne den politischen Willen ihrer Mitglieder zum Eingreifen bei Konflikten ist ohnmächtig. Die guten Pläne von Addis Abeba, Truppen in die sudanesische Krisenregion Darfur zu senden, könnten durch die leeren Kassen gelähmt werden. Hier ist die internationale Solidarität gefragt - nicht nur in Form von punktueller Nothilfe, sondern als langfristige Strukturhilfe.
Die in Addis Abeba versammelten politischen Führer haben gezeigt, wie ernst es ihnen ist, nicht länger im Abseits stehen zu wollen, wenn es darum geht, afrikanische Konflikte zu lösen. Es gibt keine Alternative zur Selbsthilfe, will der Kontinent nicht wieder in neue Abhängigkeiten geraten. In Addis Abeba ist der Wille deutlich geworden, alle Einmischungsversuche von außen - sei es von den reichen Ländern im Norden oder auch von Libyen - abzuwehren. Aber auch der Wille, sich nicht nur am Verhandlungstisch, sondern auch militärisch für den Frieden zu engagieren.
Der Wunsch des AU-Kommissionspräsidenten Alpha Oumar Konaré nach einer afrikanischen Wiedergeburt, der Rückkehr Afrikas auf die internationale Bühne, ist noch ein Traum, aber ein Traum in Arbeit. Seit Gründung der AU im Jahr 2002 sind etliche Institutionen entstanden, die politische Verbesserungen schaffen und erhalten sollen, wie etwa der Afrikanische Gerichtshofs für Menschenrechte, das Panafrikanische Parlament, der Afrikanische Sicherheitsrat und Verfahren zur gegenseitigen Überwachung der politischen Lage.
Die gegenwärtigen Konflikte im Sudan, in der Elfenbeinküste, der Demokratischen Republik Kongo sind so gefährlich, weil sie zu zerstörerischen Verwerfungen nicht nur in den betroffenen Ländern, sondern in der gesamten Region geführt haben. Zwischen den Nachbarstaaten in der jeweiligen Region herrscht ebenso wie zwischen den jeweiligen Konfliktparteien weiterhin tiefes Misstrauen. So wird jeder dringend notwendige Lösungsansatz blockiert.
Die Krisen sind trotz wiederholter Friedenserklärungen noch weit von einer Lösung entfernt. An ihnen wird sich aber beweisen, ob die noch junge AU bereit ist, das bisherige eherne panafrikanische Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten afrikanischer Länder aufzugeben. Im Falle des Sudan und der Elfenbeinküste ist dieses Bemühen deutlich sichtbar. Ein Rückfall in die überholt geglaubten Machtreflexe war jedoch die Absetzung eines Berichts über die Menschenrechtssituation in Simbabwe von der Tagesordnung.
Die Eindämmung von Luxus, Korruption und Spekulation der städtischen Eliten wird ebenso wie Transparenz und Rechenschaftspflicht der Regierungen Gradmesser dafür sein, wie ernst die politischen Führungen der afrikanischen Länder die Worte des UN-Generalsekretärs Kofi Annan nehmen. Annan hatte in Addis Abeba angeprangert, dass schlechte Regierungsführung oft der Grund für Unsicherheit und Unterentwicklung auf dem Kontinent sei.
Bei aller Kritik sollte man aber nicht vergessen, dass die AU der einzige mögliche panafrikanische Rahmen bleibt, um den Kontinent zu Stabilität und Frieden zu führen. Die dauernde Stigmatisierung Afrikas als Krisenkontinent hilft nicht weiter, ebensowenig das ständige Heraufbeschwören von schicksalhaften Katastrophen. Afrika will seine Entwicklung und die dafür notwendigen Mittel und Wege selbst bestimmen. Der Kontinent muss seine Chance ebenso erhalten wie die reicheren Industrieländer ihre Chance ergreifen sollten, echte Partnerschaft zu beweisen. Im europäischen Eigeninteresse sollte man Formen gleichberechtigter Zusammenarbeit mit jenen Reformkräften in Afrika finden, die dabei sind, starre Dogmen und verkrustete Strukturen zu verändern.