Kinderpornografie und Cyber-Crime boomen
5. April 2022Sie mag das Wort nicht, betont die deutsche Innenministerin. Aber Nancy Faeser verwendet es aus gegebenem Anlass trotzdem, als sie in Berlin die Kriminalitätsstatistik 2021 vorstellt: "Kinderpornografie". Das "entsetzliche Ausmaß" dieser Form von Gewalt und Missbrauch mache ihr besonders Sorgen. Ganz grundsätzlich und weil sich die Zahlen im Jahresvergleich mehr als verdoppelt haben. "Das liegt auch daran, dass der Ermittlungsdruck deutlich gestiegen ist und mehr Taten entdeckt werden", ergänzt Faeser.
Wichtige Hinweise kommen aus den USA
Neben ihr sitzt der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, und nennt die konkrete Zahl: 44.276 registrierte Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Hauptursache für den starken Anstieg seien Hinweise aus den USA, die in Deutschland geprüft würden und auf die Spur der Täter führten. Hintergrund: Kinderpornografie ist ein weltweit boomender Markt.
"Wir können jetzt schon prognostizieren, dass die Fallzahlen weiter steigen werden", sagt Münch und verweist auf über 62.000 "strafrechtlich relevante Hinweise" aus den USA, die zu großen Teilen noch nicht bearbeitet seien: "Durch die dadurch entstehende Aufhellung des Dunkelfeldes ist es möglich, Schritt für Schritt das wahre Ausmaß dieser Kriminalität zu erkennen."
Kriminalität wandert vom analogen Hellfeld ins digitale Dunkelfeld
Auch im Bereich von Cyber-Crime gehen die Zahlen steil nach oben: Mehr als 146.000 Fälle stehen in der aktuellen BKA-Statistik - ein Plus von gut zwölf Prozent. Der finanzielle Schaden belaufe sich nach Angaben des Branchenverbandes Bitkom auf rund 220 Milliarden Euro. Münch ergänzt: "Wir beobachten insgesamt eine strukturelle Veränderung der Kriminalität, die sich im Zuge der Corona-Pandemie nochmal beschleunigt hat."
So sei die sogenannte Eigentumskriminalität in den zurückliegenden zehn Jahren um 37 Prozent zurückgegangen. Cyber-Delikte dagegen hätten sich seit 2015 verdoppelt: "Damit erleben wir eine Verschiebung der Kriminalität aus einem analogen Hellfeld in ein digitales Dunkelfeld. Der Unterschied: "Eigentumsdelikte werden sehr, sehr häufig angezeigt - schon aus Versicherungsgründen." Eine Anzeige ist erforderlich, damit Versicherungen gegebenenfalls den Schaden ersetzen.
Eine simple Erklärung für weniger Wohnungseinbrüche
Die Anzeige-Quote bei Cyber-Crime sei indes nach BKA-Umfragen "extrem niedrig", sagt Münch. Dass betroffene Unternehmen oft darauf verzichten, einen Angriff aus dem virtuellen Raum zu melden, ist den deutschen Sicherheitsbehörden schon lange bekannt. Der Grund: Angst vor einem Image-Verlust, weil erfolgreiche Cyber-Attacken ein Zeichen für fehlende Schutzmaßnahmen sein könnten.
Dass sich die Kriminalitätsraten in der realen Welt anders als im virtuellen Raum weiter rückläufig entwickeln, erklärt der BKA-Chef wie schon im Vorjahr mit den Folgen der Corona-Pandemie. Bestes Beispiel: Einbrüche in den eigenen vier Wänden. "Die Menschen waren mehr zu Hause und dann gehen natürlich auch Tatgelegenheiten für Wohnungseinbrüche verloren."
Noch nie wurden so viele Straftaten aufgeklärt wie 2021
Positives kann Münch auch bei der Aufklärungsquote aller bekannten Straftaten vermelden: 58,7 Prozent bedeuten einen neuen Rekord. Von den fast 1,9 Millionen Tatverdächtigen sind drei Viertel männlich. Und auch die Zahl aller 2021 gemeldeten Delikte - vom einfachen Taschendiebstahl bis zum Mord - ist gesunken: um knapp fünf Prozent auf etwas über fünf Millionen.
Erste Hinweise auf neue Entwicklungen 2022 gibt es auch schon. Demnach sinkt die Zahl der Corona-Proteste und der dabei zu beobachtenden Straftaten, wie Übergriffe auf Kommunalpolitiker oder Journalisten. "Wir sehen seit Februar, auch schon vor Beginn des Ukraine-Krieges, einen spürbaren Rückgang", sagt BKA-Präsident Münch auf DW-Nachfrage. Bei den sogenannten "Spaziergängen" am Montag jeder Woche sei die Teilnehmer-Zahl von maximal 300.000 auf aktuell 60.000 gesunken. Die Stimmung sei aber weiterhin "angespannt".
Zustimmung für Russlands Krieg könnte strafbar sein
Auch mit den Folgen des Ukraine-Kriegs für Deutschland sind das BKA und die Polizeien der 16 Bundesländer konfrontiert. Vor allem Frauen und Kinder gelten als gefährdet. "Wir haben neun Fälle von sexuellen Übergriffen", sagt Holger Münch. Seinen Angaben zufolge haben sich fast alle in Sammelunterkünften ereignet. Vor diesem Hintergrund lobt er die private Hilfe, "wenn es um die Prävention für die Geflüchteten geht".
Ein weiteres Phänomen im Zusammenhang mit der Invasion in die Ukraine hat Innenministerin Nancy Faeser besonders im Blick: Sympathie-Kundgebungen für den Aggressor Russland, auf denen das auch auf russischen Panzern und Militär-Lastwagen aufgemalte Symbol "Z" gezeigt wird. "Das überschreitet eine gewisse Schwelle", vermutet Faeser. Konkret: Billigung einer Straftat. "Das prüfen wir gerade, ob wir da etwas verbieten können."