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Verbrechen im Kongo

Bettina Marx26. September 2008

Die Lage von Kongos Frauen ist dramatisch. Denn massenhafte Vergewaltigung sind in dem Land, in dem seit Jahren Bürgerkrieg herrscht, an der Tagesordnung.

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Vergewaltigungopfer in der Provinz Südkivu im Kongo (Quelle: picture-allicane / DPA)
Vor allem in der Kongo-Provinz Südkivu werden Tausende von Mädchen und Frauen Opfer von VergewaltigungenBild: picture-alliance/dpa

Dank der UN-Resolution 1820 ist es nun seit einigen Monaten möglich, Verantwortliche und Täter der massenhaften Vergewaltigungen im Kongo vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Verantwortung zu ziehen. Bislang fehle dazu aber noch die erforderliche Unterstützung, meint die Menschenrechtlerin Imaculée Birhaheka. Die Lage der Frauen im Kongo sei nach wie vor dramatisch.

Imaculée Birhaheka kommt aus dem Kongo, aus dem Ostkongo genauer gesagt, wo seit Jahren ein blutiger Bürgerkrieg wütet. Sie ist Gründerin und Vorsitzende der Frauenorganisation Paif, die sich um vergewaltigte Frauen kümmert. Hilfe haben diese Frauen bitter nötig, erzählt sie. "Die Frauen brauchen Medizin und psychosoziale Unterstützung. Sie werden vergewaltigt und haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, denn sie leben weit weg von den Gesundheitszentren. Außerdem ist da das Problem der Scham. Wenn ein Mann erfährt, dass seine Frau vergewaltigt wurde, dann verstößt er sie", so die Menschenrechtlerin.

Frauen sprechen aus Scham nicht über Vergewaltigung

Genaue Zahlen gibt es daher nicht, denn viele vergewaltigte Frauen sprechen nicht darüber. Sie fürchten, von der Familie und der Gemeinschaft ausgestoßen zu werden. "Aus unseren eigenen Erhebungen", so Immaculée Birhaheka, "wissen wir aber, dass zwischen Januar und März allein in Nordkivu 15.000 Frauen vergewaltigt wurden." Für viele der Opfer sei dies jedoch keine einmalige traumatische Erfahrung. In den Minen zum Beispiel würden junge Mädchen als Sexsklavinnen gehalten.

Zur HIV-Infektionsrate gibt es nur Dunkelziffern

Frauen und Kinder auf einer Straße im Kongo (Quelle: picture-allicance / DPA)
Mehr als zwei Drittel aller Frauen im Kongo im Alter von zehn bis 80 Jahre erleben sexualisierte GewaltBild: picture-alliance/dpa

Monika Hauser ist Gründerin der Organisation Medica Mondiale und Frauenärztin. "Die HIV-Infektionsrate ist extrem hoch. Wir haben keine Zahlen, weil es in solchen Gebieten keine verlässlichen Zahlen gibt. Wir können immer nur von Dunkelziffern ausgehen. Wir wissen aber, dass ungefähr 95 Prozent der vergewaltigten Frauen, die wir untersuchen, HIV-positiv geworden ist. Und wenn wir wissen, dass über zwei Drittel aller Frauen im Alter von zehn bis 80 sexualisierte Gewalt erlebt haben, dann können wir ahnen, wie hoch die Infektionsrate wirklich ist", sagt Hauser. Medica Mondiale spricht daher auch vom Femizid im Ostkongo, dem planmäßigen Massenmord an den Frauen des Landes.

"Schlimmste Menschenrechtsverbrechen"

Auch die UNO schätzt die im Kongo verübten sexualisierten Verbrechen an Frauen als die weltweit schlimmsten ein. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen finden 75 Prozent aller Vergewaltigungen im Ostkongo statt. "Meiner Meinung nach geht es um schlimmste Menschenrechtsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wo wir nicht wegschauen dürfen, wo die Politik aktiv werden muss, weil die Opfer ansonsten keine Stimme haben", meint die Grünen-Abgeordnete Kerstin Müller.

EU Soldaten in Bunia, Kongo (Quelle: AP)
Die Friedenstruppe EUFOR war 2006 zur Sicherung der Wahlen im Kongo stationiertBild: AP

Die Politikerin hat Immaculée Birhaheka und deutsche und ausländische Experten zu einem parlamentarischen Nachmittag in den Bundestag eingeladen, um auf die Not der Frauen im Ostkongo aufmerksam zu machen. Müller ist enttäuscht, dass die Weltgemeinschaft sich nach den Wahlen im Kongo, die im Jahr 2006 mit der europäischen Friedenstruppe EUFOR (European Union Force) abgesichert wurden, nicht mehr für das Schicksal des Landes interessiert: "Nach dem Abzug von EUFOR wurden die Chancen der Wahlen weder von der internationalen Gemeinschaft noch von Deutschland genutzt, um etwa eine nachhaltige Stabilisierung der Lage oder auch Fortschritte bei der Demokratisierung zu erreichen. Also muss ich ganz klar sagen, dass den großen Worten keine Taten gefolgt sind.“

Krieg um die Bodenschätze des Kongos

Die kanadische Expertin Ariane Brunet, die an der Fletcher-Universität in Boston lehrt, wundert sich nicht darüber. Der Krieg im Kongo werde um die Bodenschätze des Landes geführt, unter anderem um den Rohstoff Coltan. "80 Prozent des Coltans, das wir alle für unsere Mobiltelefone brauchen, wird im Kongo gewonnen. 80 Prozent des Weltbedarfs. Das ist sehr wichtig, denn es bedeutet, dass der Krieg im Kongo kein interner Krieg ist, sondern der erste pan-afrikanische Krieg in der Geschichte. Beteiligt sind Ruanda, Uganda, Angola, Simbabwe und die Demokratische Republik Kongo. Es sind private Firmen daran beteiligt und Söldner. Es ist wichtig, die Komplexität dieses Krieges zu verstehen, denn alle machen mit", so Brunet.

Die Gewalt gegen die Frauen des Kongo sei deshalb keine Frauenfrage, sondern eine politische Frage, die alle etwas angehe.