Smartphones Patente
22. Dezember 2011Der koreanische Elektronikkonzern Samsung kann seinen umstrittenen iPad-Rivalen "Galaxy Tab 10.1N" in Deutschland vorerst weiter verkaufen. Am Donnerstag (22.12.2011) scheiterte Apple vor dem Düsseldorfer Landgericht mit dem Versuch, den Vertrieb des Gerätes mit einer einstweiligen Verfügung untersagen zu lassen. Ihre endgültige Entscheidung wollen die Richter erst am 9. Februar 2012 verkünden.
Dies ist nur einer von zahlreichen Prozessen, die sich die Hersteller von Smartphones und Tablet-Computern seit Jahren liefern. Im Kern geht dabei immer um die Frage, ob eine Firma die Rechte einer anderen verletzt, entweder in Bezug auf das Design oder die Technik eines Geräts.
Im neuesten Streit zwischen Samsung und Apple geht es um das Design. Apple behauptet, Samsungs Tablet-Computer sehe Apples iPad zu ähnlich und verletze dessen "Geschmacksmuster" – ein juristischer Ausdruck für ein geschütztes Produktdesign.
Geschütztes Design, geschützte Technik
Noch häufiger prozessieren Firmen, wenn es um die Verletzung von Patenten geht. Patente schützen technische Verfahren wie den Aufbau von Computerchips oder die Übertragungstechnik. Florian Müller, Autor, Unternehmensberater und langjähriger Beobachter der Branche, schätzt die Zahl der Patente auf "hunderttausende".
Patente stammen nicht nur aus der Mobilfunktechnik, sondern auch aus der Computerindustrie, denn Smartphones sind Telefon und Computer in einem. "Die Zahl der Patente aus dem klassischen Computerbereich ist dabei wesentlich höher als aus dem klassischen Mobilfunkbereich", sagt Müller im Gespräch mit DW-WORLD.DE. "Deshalb finden im Moment wesentlich mehr und wesentlich größer angelegte Klagen statt."
Microsoft, Apple, Nokia, aber auch Chiphersteller wie Samsung und Qualcomm – sie alle sind im Besitz wichtiger Patente. Wer sie nutzen will, muss dafür Lizenzgebühren zahlen – für die Unternehmen eine wichtige Einnahmequelle.
Hohes Drohpotenzial
Patentklagen haben ein großes Drohpotenzial. Im schlimmsten Fall kann dem Beklagten der Verkauf seiner Produkte verboten werden. So hatte ein Düsseldorfer Gericht Samsung den Deutschland-Vertrieb eines anderen Tablet-Computers im September 2011 vorläufig untersagt,weil es Apples iPad zu ähnlich sehen soll. Eine endgültige Entscheidung wird erst im neuen Jahr erwartet.
Normalerweise enden solche Prozesse mit einem Vergleich, bei dem sich die Kontrahenten auf gegenseitige Lizenzvereinbarungen und Ausgleichszahlungen einigen. Branchenbeobachter Florian Müller hat jedoch festgestellt, dass sich Patentklagen in letzter Zeit immer länger hinziehen, bevor es zu einer Einigung kommt.
Die härtere juristische Gangart hat ihren Grund. Auf dem neuen Markt der Smartphones und Tablet-PCs kämpfen die Anbieter um Marktanteile, und oft auch um das eigene Überleben. iPhones, Blackberrys und Geräte von Nokia laufen jeweils mit eigener Software. Android dagegen ist ein offenes Betriebssystem, das jeder Handyhersteller nutzen kann.
Hinter Android steckt der Suchmaschinenbetreiber Google, dessen Ziel es ist, einen neuen Standard für Smartphones und Tabletcomputer zu schaffen - ähnlich, wie es Microsoft einst mit seinem Windows-Betriebssystem für PCs gelang.
Marktführer Android
Android hat eine breitere Herstellerbasis als die anderen Systeme, sagt Volker Briegleb, Fachjournalist bei der Computerzeitschrift c't. "Wenn ich ein koreanischer Gerätehersteller bin und ich möchte ein leistungsfähiges Smartphone-System haben, das ich nicht selbst entwickeln will, dann bietet sich Android an." Weil Android als offene Plattform auch für Entwickler attraktiv ist, waren zudem in kurzer Zeit viele Anwendungen erhältlich. "Dadurch wird es für den Verbraucher interessant", so Briegleb.
Nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmen Gartner vom November 2011 ist Android inzwischen Weltmarktführer und läuft auf 52 Prozent aller Smartphones. Der Marktanteil von Apples Betriebssystem iOS sank dagegen auf 15 Prozent.
Ein Grund, warum sich Prozesse gegen Android-Anbieter häufen. Analyst Florian Müller hat allein in den letzten zwei Jahren rund 50 Klagen gegen Android und Hersteller von Android-Geräten gezählt. "Keine andere Plattform ist so stark unter Beschuss", so Müller.
Prozesse weltweit
Vor allem Apple empfindet die Android-Konkurrenz als Bedrohung für sein Geschäftsmodell. Schließlich ist das iPhone nur der Einstieg in gewinnträchtige Zusatzangebote wie iTunes und App-Store, über die Apple Musik, Filme oder Programme verkauft.
Mit HTC, Motorola und Samsung hat Apple die drei führenden Hersteller von Android-Smartphones verklagt. Die wiederum antworteten jeweils mit Gegenklagen.
Aber auch Microsoft, das ein eigenes Betriebssystem anbietet, beschäftigt die Gerichte, zuletzt mit einer Klage gegen Motorola, dessen Übernahme durch Google zur Zeit noch von Kartellämtern geprüft wird.
Die Wahl des Prozessortes wird dabei von verschiedenen Faktoren beeinflusst, sagt Martin Fähndrich, auf Patentstreitsachen spezialisierter Rechtsanwalt bei der Kanzlei Hogan Lovells International in Düsseldorf gegenüber DW-WORLD.DE. Da ist zunächst die Frage, ob sich das Gericht in einem Land befindet, das für den Beklagten eine große wirtschaftliche Bedeutung hat - schließlich droht ja das Verkaufsverbot seiner Produkte.
Wichtig sei außerdem, "wie die Gerichte in dem jeweiligen Land sind", so Fähndrich. Manche seien für schnelle Verfahren bekannt, manche für Urteile, die tendenziell freundlich gegenüber Patentinhabern sind.
Krieg der Smartphones
Am Ende kommt es auch darauf an, was die verschiedenen Firmen wollen. Apple und Microsoft haben jeweils ein mobiles Betriebssystem, das mit Android konkurriert. Und doch fahren beide Firmen sehr unterschiedliche Strategien, schreibt Analyst Florian Müller in seinem Blog. "Apple will durchsetzen, dass sich die Produkte unterscheiden. Microsoft interessiert sich mehr für Lizenzabkommen."
Wegen der großen Zahl der Klagen und Gegenklagen sprechen Florian Müller und andere Beobachter bereits vom Krieg der Smartphones. Trotzdem glaubt Volker Briegleb von der Computerzeitschrift c't, dass sich am Ende alle einig werden. Schließlich sind die großen Smartphone-Konkurrenten meist gegenseitig voneinander abhängig.
Samsung etwa ist Apples größter Chiplieferant, umgekehrt ist Apple ein wichtiger Kunde des Konzerns aus Korea. "Wir werden noch eine Weile spektakuläre Prozesse sehen. Aber auf lange Sicht werden die sich einigen."
Bis es soweit ist, haben jedoch die Anwälte das Wort. Die bewahren zwar Stillschweigen über ihre Honorare. Doch es ist davon auszugehen, dass die Juristen die eigentlichen Gewinner der Smartphone-Kriege sind.
Autor: Andreas Becker
Redaktion: Henrik Böhme