Krallenfrösche - vom Schwangerschaftstest zur Ökogefahr
14. September 2021Bin ich schwanger? Heutige Schwangerschaftstests aus der Drogerie oder der Apotheke sind Urin-Tests, die jede Frau einfach zu Hause durchführen kann. Das Stäbchen wird entweder in Urin getaucht oder direkt in den Urinstrahl gehalten und bereits nach wenigen Minuten zeigt der Test das Ergebnis. Entscheidend ist, ob im Urin das Schwangerschaftshormon hCG vorhanden ist.
Bevor es diese Art von Schwangerschaftstests gab, bis in die 1960er Jahre, haben Frauen mithilfe von Krallenfröschen erfahren, ob sie schwanger sind. Das klingt heute skurill, funktionierte aber nach einem ähnlichen Prinzip: Dazu wurde dem sogenannten Apothekenfrosch Urin der Frau unter die Haut in den dorsalen Lymphsack gespritzt. Lösten die im Urin enthaltenen Hormone beim weiblichen Frosch den Einsprung aus und legte das Weibchen innerhalb von 12 Stunden Laich, war die Frau schwanger.
Nicht immer wurde der Urin injiziert. So wurde der weibliche Krallenfrosch etwa in Nicaragua und Burkina Faso in den Urin einer vermutlich schwangeren Frau gesetzt. Das Tier nahm den Urin dann über seine Haut auf.
Die Frösche sollen durch die Test keinen Schaden genommen haben, nach ein paar Wochen Erholung standen sie erneut für die sogenannten Hogben-Tests zur Verfügung. Anfang der 1930er Jahre hatte der englische Forscher Lancelot Hogben (1895–1975) das Verfahren entdeckt.
Begehrter Schwangerschaftstest in aller Welt
Für diesen tierischen Schwangerschaftstest wurden in den 1930er- und 1940er-Jahren Millionen Krallenfrösche in Afrika südlich der Sahara eingefangen und nach Europa, nach Nord-und Südamerika, nach Australien und Japan exportiert.
Die Nachfrage nach dem tierischen Schwangerschaftstest war so groß, dass der Krallenfrosch in den 1930er Jahren fast ausgestorben wäre. Erst in den 1940er Jahren gelang die massenhafte Nachzucht der begehrten Amphibien.
Verhängnisvolle Freisetzung nach getaner Arbeit
Mit Einführung des immunologischen Schwangerschaftstests wurden die lebenden Schwangerschaftstests nicht mehr gebraucht und meist in die Natur freigelassen – mit fatalen Folgen.
Denn der vergleichsweise große Frosch frisst den anderen Fröschen nicht nur die Nahrung weg, er hat anders als in seiner afrikanischen Heimat, wo Krallenfrösche auf dem Speiseplan von Vögeln, Fischen und Schlangen stehen, vielerorts auch keinen natürlichen Fressfeind und vermehrt sich rasant.
Krallenfrösche sind ohnehin sehr anpassungsfähig. Sie können für kurze Zeit in salzhaltigem Wasser überleben, kommen auch einige Monate ohne Nahrung aus und passen sich regionalen Klimabedingungen an.
Robuste Pilzträger
Noch dramatischer ist allerdings, dass die invasive Art auch den tödlichen Chytridpilz in seine neue Heimat einschleppte. Die Sporen des Chytridpilzes sind im Wasser bis zu 24 Stunden überlebensfähig, so dass er sich besonders in Fließgewässern schnell ausbreitet.
Dem Krallenkrosch macht der Chytridpilz nichts aus, aber bei anderen Amphibien wirkt er tödlich. Bei befallenen Tieren verändert sich die Haut, sie wird milchig und stumpf. Infizierte Tiere werden lethargisch, fressen nicht mehr und häuten sich oft.
Was genau zum Tod der befallenen Tiere führt ist noch nicht abschließend geklärt. Möglicherweise geben die Pilze Toxine ab, die andere Amphibien über ihre Haut aufnehmen. Oder die Chytridpilze verstopfen die Poren, die Amphibien für die Hautatmung zwingend brauchen, sonst ersticken sie qualvoll. Oder der Pilz stört den Wasser- und Elektrolythaushalt der betroffenen Tiere empfindlich.
Chytridpilz als Amphibienkiller
Seit den 1980er-Jahren löste der Chytridpilz weltweit ein Amphibiensterben aus. Jedes Jahr sterben nach Überzeugung von Experten zehn Froscharten durch den Chytridpilz aus.
Zahlreiche Amphibienarten, vor allem in Australien sowie Mittel- und Südamerika, sind bereits stark in ihrem Bestand dezimiert oder sogar fast ausgestorben.Laut einem im März 2019 veröffentlichten Science-Artikel ist der Chytridpilz für den Rückgang der Bestände bei mehr als 500 Amphibienarten und für das Aussterben von 90 Arten verantwortlich. Das wäre das größte bisher durch einen einzelnen Erreger verursachte Artensterben.
Enormes invasives Potential auch in Europa
Mittlerweile haben sich die robusten Krallenfrösche bereits in Nord- und Südamerika, in Japan, Sizilien, England, Frankreich und vor allem Portugal ausgebreitet. Damit haben die Krallenfrösche ihr invasives Potential allerdings noch nicht ausgeschöpft.
Laut einer Berechnung von Forschenden des Leibniz-Institutes für Biodiversität der Tiere in Bonn eignen sich zwei Millionen Quadratkilometer in Europa als Lebensraum für den Krallenfrosch. Das entspricht knapp der Hälfte des Kontinents und ist doppelt so viel wie bisher angenommen. Besonders geeignet seien demnach Süd- und Westeuropa, aber auch einige Regionen im Norden und Westen Deutschlands.