Kosovo: Schwerer Stand für serbische Mönche
23. Oktober 2008Im Februar dieses Jahrs hat das Kosovo seine Unabhängigkeit erklärt. Die Mehrheit seiner zwei Millionen Einwohner sind Albaner. Doch das Gebiet von der Größe Schleswig-Holsteins im Südosten Europas gilt als geistliche Wiege der Serben. Daher befinden sich auch dort die bedeutendsten Kirchen und Klöster der serbisch-orthodoxen Gläubigen. Eines davon ist das Kloster Visoki Decani im Südwesten des Kosovo.
Aufnahme in das Weltkulturerbe
Das Bauwerk wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtet. Die UN-Organisation für Kultur und Bildung – UNESCO - erklärte dieses und drei weitere serbische Gotteshäuser im Kosovo vor vier Jahren zum Weltkulturerbe. Decani, so die UNESCO, vereine den römisch-katholischen Baustil und die byzantinisch-orthodoxe Innenausstattung. Vater Ilarion, der Kustos unter den 30 hier lebenden meist jungen Mönchen, erklärt: „Die Decani-Kirche ist vermutlich die weltgrößte Galerie von Fresken aus ihrem Zeitalter. Bis heute sind rund 4.000 Quadratmeter Fresken erhalten geblieben. Darauf sind rund 10.000 Figuren in tausend Szenen und in zwanzig Themeneinheiten zu sehen.“ Den Klosterbau in Auftrag gegeben hatte der mittelalterliche König Stefan. Seine Überreste sind in einem Sarkophag ausgestellt. Vater Ilarion: „Die einbalsamierten Gebeine des Heiligen Stefan von Decani sind der größte Schatz des Klosters.“
Ziel von Anschlägen
Administratives und kulturelles Zentrum der orthodoxen Serben war das Kosovo schon vor Jahrhunderten. Doch inzwischen stellen die überwiegend muslimischen Albaner in diesem Teil des Balkans die überwältigende Mehrheit. Nach dem Krieg 1999 und nach neun Jahren der Verwaltung durch die UN, erklärte Kosovo Mitte Februar einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien. Die serbische Minderheit im Kosovo lebt größtenteils in voneinander isolierten Enklaven. Visoki Decani ist eine davon. Das Kloster war in den letzten Jahren rund ein Dutzend Mal Ziel von Übergriffen albanischer Extremisten, weil die Kirche als Vorposten Serbiens angesehen wurde. Die Bomben und Schüsse prallten an der dicken Außenmauer ab. Die Straße zum Klostergelände wird nun verstärkt durch NATO-Truppen bewacht, die sich seit Kriegsende im Land aufhalten.
Eigentumsrechte umstritten
Die Mönche und die benachbarte Stadt Decan liegen in einem Streit miteinander, der für Beobachter den Beweis für die endgültige Entmachtung der offiziell weiter geführten UN-Verwaltung in Kosovo liefert. In Decan stellen nämlich ehemalige albanische Unabhängigkeitskämpfer die Kommunalregierung. Nach der Unabhängigkeitserklärung sprachen sie dem Kloster 25 Hektar Land ab, auf dem die Priester Getreide und Gemüse anbauen sowie Vieh und Geflügel halten.
Der Acker und die Wiese, behauptete die Stadt Decan, seien das Eigentum lokaler albanischer Unternehmen. Die Geistlichen beklagten sich daraufhin bei der UN in der Hauptstadt Pristina. Die Mission stellte jedoch fest, dass die Stadtbehörde das Grundbuch gefälscht hatte. Das Grundstück wurde den Mönchen zuerkannt. Die Stadtpolitiker in Decan ignorierten jedoch diese Entscheidung und zwangen zwei bei ihnen stationierte UN-Beamte, ihren Posten zu verlassen.
Wirtschaftsfaktor Pilger
Das Kloster beackert das Stück Land allerdings weiterhin und betreibt einen Bauernhof. Was hier produziert wird, kommt im großen Speisesaal der Brüderschaft auf den Tisch. So zum Beispiel Käse und Joghurt aus der eigenen voll computerisierten Molkerei. Oder Rotwein und Weintrester vom Weingut eines naheliegenden Dorfes. Vater Sava, so etwas wie der Klostermanager von Decani, betont: „Alles was wir hier haben, teilen wir untereinander. Es gibt kein Privateigentum. Wir sind hier, um unser Leben Gott zu widmen.“
Visoki Decani wurde bis ins 20. Jahrhundert immer wieder in Kriegen geplündert, zerstört und wieder aufgebaut. Finanziell über Wasser gehalten wird es heute von der serbischen Regierung. Die Mönche verkaufen dazu ihren Schnaps, Honig sowie Ikonen und Holzschnitte. Für die in der Region verbliebenen serbischen Landwirte ist das Kloster ein wichtiger Arbeitsgeber. Und Vater Sava möchte, dass das Kloster zum Motor der wirtschaftlichen Entwicklung für die langsam zurückkehrenden Flüchtlinge wird: „Das Besondere an uns ist, dass wir die einzigen orthodoxen Serben in der Region sind. Vielleicht wäre es möglich, in den Dörfern der Rückkehrer Hotels zu bauen. So könnten wir das wirtschaftliche Überleben dieser Menschen nachhaltig sichern und den Pilgern eine Unterkunft anbieten.“
Filip Slavkovic