Korruptionsprozess gegen Ex-Präsident Sargsjan
25. Februar 2020Dem unter dem Druck der Straße im Frühjahr 2018 zurückgetretenen Präsidenten Sersch Sargsjan wird konkret zur Last gelegt, im Jahr 2013 die Zweckentfremdung und Veruntreuung von 489 Millionen Dram (946.000 Euro) durch Regierungsvertreter organisiert zu haben. Zu diesem Zweck soll er einem ihm nahestehenden Unternehmer staatliche Aufträge zugespielt haben. Dem 65-jährigen Ex-Politiker drohen bei einer Verurteilung bis zu acht Jahre Haft.
Sargsjan bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und kann dabei auf seine Unterstützer bauen. Vor dem Gerichtsgebäude in Jerewan versammelten sich viele seiner Anhänger. Sie skandierten "Präsident, Präsident", während das Verfahren im Inneren des Gebäudes eröffnet wurde.
Seine Anhänger halten den Prozess für politisch motiviert. Sargsjans Republikanische Partei prangerte die Vorwürfe als "erfunden und darauf ausgerichtet, politische Gegner zum Schweigen zu bringen" an. "Der Prozess ist eine Farce", sagte Margarita Esajan, eine der Demonstrantinnen außerhalb des Gerichts und ehemalige Abgeordnete seiner Partei. Sargsjan werde "auf Befehl seines Nachfolgers Paschinjan verfolgt und verunglimpft". Nikol Paschinjan ist seit 2018 Ministerpräsident des Kaukasus-Staates und führt seit seinem Amtsantritt einen erklärten Kampf gegen Korruption.
Sargsjan bestimmte von 2008 bis 2018 die Geschicke der verarmten früheren Sowjetrepublik Armenien. Nach zehnjähriger Präsidentschaft versuchte er, als Ministerpräsident die Macht in seinen Händen zu behalten. Damit löste er allerdings wochenlange Massenproteste aus, die schließlich zu seinem Rücktritt und zur Entmachtung seiner Partei führten. Über den konkreten Vorwurf in dem aktuellen Prozess hinaus wird ihm vorgeworfen, den mächtigen Oligarchen des Landes die Kontrolle über die armenische Wirtschaft ermöglicht zu haben.
Sargsjan ist nicht der einzige frühere Präsident der kleinen Kaukasusrepublik, der strafrechtlich verfolgt wird: Sein Vorgänger Robert Kotscharjan stand im Mai unter dem Vorwurf des "Umsturzes der verfassungsmäßigen Ordnung" vor Gericht, weil er die Präsidentschaftswahlen 2008 zugunsten von Sargsjan beeinflusst haben soll.
qu/rb (dpa, afp)