Emissionshandel floppt
5. April 2007Wenn es um den Klimaschutz geht, versteht EU-Umweltkommissar Stavros Dimas keinen Spaß. Das hat nun auch Australien zu spüren bekommen. Zum Beginn des noch bis Freitag (6.4.07) in Brüssel tagenden UN-Klimarates forderte Dimas den zweitgrößten Kohleexporteur der Welt mit deutlichen Worten auf, endlich das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren.
"Da will uns ein Sprecher einer Gruppe von Ländern einen Vortrag halten, weil wir Kyoto nicht unterzeichnet haben. Aber der größte Teil der Unterzeichnerländer fällt hinter die eigenen Ziele zurück", entgegnete Ministerpräsident John Howard verärgert. Australien erreiche seine eigenen Vorgaben zur C02-Minderung. Das kann die Sprecherin von Umweltkommissar Dimas, Barbara Helfferich, nicht auf sich sitzen lassen. "Wir haben gesagt, was zu sagen war. Und die EU wird auf jeden Fall ihre Kyoto-Ziele einhalten", sagte sie DW-WORLD.
EU von Kyoto-Zielen weit entfernt
Howards Vorstoß, Australien als Klimaschützer zu preisen, ist mehr als mutig. Seine Kritik trifft aber zu: Zurzeit ist die EU von den Zielen weit entfernt, zu denen sie sich im Kyoto-Protokoll verpflichtet hat. Bis 2012 müssen die alten EU-15-Staaten den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um acht Prozent senken. Mit den Beitrittsstaaten wurden gesonderte Vereinbarungen getroffen. Bis 2005 hat die EU aber nur 1,6 Prozent erreicht, wie nun bekannt wurde. Der CO2-Ausstoß hat sich 2006 gegenüber dem Vorjahr gar um 1,5 Prozent erhöht.
Kritiker machen dafür unter anderem den Emissionshandel verantwortlich, bei dem Betriebe nur CO2 ausstoßen dürfen, wenn sie die nötigen Zertifikate besitzen, mit denen gehandelt werden kann. Je knapper und teurer die Verschmutzungsrechte sind, desto eher lohnt es sich, in klimafreundliche Technologien zu investieren, die den eigenen Ausstoß verringern. Soweit die Theorie.
Emissionshandel funktioniert nicht gut
Die Praxis sieht anders aus. "Den Kohlendioxidausstoß konnte der Emissionshandel bisher nicht verringern. Das System hat nicht gut funktioniert", sagt Verena Graichen, Klimaschutzexpertin des Öko-Instituts. "Die EU hat zu viele Zertifikate ausgegeben. Deshalb sind die Preise jetzt im Keller", erklärt Hans-Jürgen Nantke, Leiter der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt.
Fast 30 Euro kostete die Tonne CO2 im Frühjahr 2006 an der Leipziger Strombörse. Heute liegt der Preis bei rund einem Euro. Der Wert der Verschmutzungsrechte ist rapide gefallen, weil die EU-Kommission den CO2-Ausstoß falsch eingeschätzt hat. Die europäische Industrie war mit Zertifikaten überversorgt; 2006 wurden 50 Millionen Tonnen zuviel zugeteilt.
Kaum Investitionen in umweltschonende Technologien
Aufgrund der Dumpingpreise setzten viele Unternehmen nicht auf klimafreundlichere Technologien. "Als die Preise höher lagen, geschah dies", sagt Verena Graichen. So schalteten etwa die deutschen Energieversorger alte Braunkohlekraftwerke ab und warfen dafür stillstehende umweltfreundlichere Steinkohlekraftwerke an. "Obwohl diese im Betrieb deutlich teurer sind", sagt Graichen.
"Der Emissionshandel funktioniert leider nicht so gut, wir können aber nichts mehr ändern", sagt Dimas-Sprecherin Helfferich. Sie rät dazu, in die Zukunft zu schauen. Denn ab 2008 beginnt die zweite Handelsphase, die bis 2012 dauert. Gemäß den Forderungen des Kyoto-Protokolls hat die EU-Kommission die Menge an Verschmutzungslizenzen für diese Periode deutlich gesenkt. Die nationalen Vorschläge wurden drastisch gekürzt.
"Von 2008 bis 2012 werden wir vier Kyoto-Prozent erfüllen", prognostiziert Helfferich und verweist auf 30 EU-Vorhaben zum Klimaschutz sowie den Emissionshandel, der dann "deutlich besser" funktioniere. Die aktuellen CO2-Preise werden den künftigen Handel nicht beinflussen, denn ab 2008 werden sie neu berechnet. Das stark geschrumpfte Kontingent an Zertifikaten beeinflusst den Markt schon jetzt: Zwischen 16 und 17 Euro pro Tonne CO2 kosten derzeit so genannte "Futures", Optionen auf künftig handelbare Zertifikate. Die Experten rechnen damit, dass Unternehmen durch die steigenden Preise stärker in umweltfreundliche Technologien investieren werden.
Kompromiss für den Flugverkehr angekündigt
Der Emissionshandel entwickelt sich weiter – alle Defizite sind aber nicht ausgeräumt. Fachleute sprechen sich dafür aus, die Verschmutzungsrechte mittelfristig zu verkaufen, und nicht wie bisher größtenteils kostenlos zu verteilen. "Der Preis der Umweltverschmutzung sollte von Beginn an in die Produktionskosten einfließen", sagt Hans-Jürgen Nantke. "Unternehmen erhalten Maschinen auch nicht kostenlos."
Eine weitere Herausforderung ist der Flugverkehr. Dimas will ihn ab 2011 in den Emissionshandel einbeziehen. EU-Parlament und Mitgliedstaaten haben dem Richtlinienvorschlag nur im Grundsatz grünes Licht gegeben, beinharte Konflikte um Detailfragen zeichnen sich ab. Peter Liese, Berichterstatter im Parlament, kündigte allerdings am Mittwoch an, noch in diesem Jahr einen Kompromiss für diesen nächsten Schritt zur Verbesserung des Emissionshandels aushandeln zu wollen.