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Musik

"Schlag ins Gesicht für Holocaust-Überlebende"

12. April 2018

Vor der Echo-Verleihung wird die Kritik an der Nominierung der Rapper Kollegah und Farid Bang immer schärfer. "Schäbig" nennt das Auschwitz Komitee die Entscheidung, der Zentralrat der Juden fordert ein "Stoppschild".

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Konzert Kollegah und Farid Bang Berlin
Bild: picture-alliance/Eventpress Hoensch

Der Echo ist der wichtigste deutsche Musikpreis. Neben Show und Musik - es sind unter anderem Auftritte von Kylie Minogue, Rita Ora und Helene Fischer geplant - geht es bei der Gala zur 27. Verleihung des Musikpreises am Donnerstagabend (12.04.2018) in Berlin vor allem um Fragen der künstlerischen Freiheit: Trotz Antisemitismusvorwürfen und heftiger Kritik an einem ihrer Texte bleiben die Rapper Kollegah und Farid Bang für die Verleihung in zwei Kategorien, darunter "Album des Jahres" ("Jung, brutal, gutaussehend 3") nominiert. Im Zentrum der Vorwürfe steht die Textzeile "Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen" aus dem Song "0815".

Ein "absoluter Grenzfall"

Farid Bang entschuldigte sich für mögliche Verletzungen und betonte, Kollegah und er distanzierten sich von "jeglicher Form des Antisemitismus oder Hass gegen Minderheiten". Ende vergangener Woche hatte der unabhängige Ethik-Beirat des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) den Fall geprüft - und entschieden, dass die umstrittenen Nominierungen nicht zurückgezogen werden. Sie wurden als "absoluter Grenzfall zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit und anderen elementaren Grundrechten" verteidigt. Die künstlerische Freiheit sei in dem Text "nicht so wesentlich übertreten", dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre. Ein formaler Ausschluss sei nicht der richtige Weg. Zuletzt war die Band Frei.Wild von der Nominierungsliste gestrichen worden. Ihr wurde Nähe zur rechten Szene vorgeworfen.

Farid Bang und Kollegah
Teilen gerne aus: Farid Bang und KollegahBild: Selfmade Records

Das Internationale Auschwitz Komitee reagierte am Mittwoch (11.04.2018) mit Empörung auf die geplante Teilnahme des Duos an der Gala. Diese sei "für alle Überlebenden des Holocaust ein Schlag ins Gesicht und ein für Deutschland beschämender Vorgang", hieß es in einer Mitteilung. "Die Entscheidung des Ethikrates und der beteiligten Verantwortlichen bezüglich der Teilnahme des Duos Kollegah/Farid Bang ist schäbig, feige und falsch und leistet mit ihrer Tragweite und öffentlichen Wahrnehmung Antisemitismus und Rechtsextremismus Vorschub", sagte Christoph Heubner, der Vizepräsident des Komitees.

Pikant: Echoverleihung und "Marsch der Lebenden" am gleichen Tag

Heubner erinnerte daran, dass am Tag der Echo-Verleihung weltweit der Gedenktag für die Opfer des Holocaust begangen wird. "In diesem Zusammenhang und gerade an diesem Tag mutet der deutsche Beitrag zum Gedenken, so wie er sich beim Echo widerspiegelt, mehr als makaber an." Am 12. April findet auch der "Marsch der Lebenden" statt. Der Gedenkmarsch vom Konzentrationslager Auschwitz zum größten deutschen Vernichtungslager Birkenau erinnert an die Todesmärsche von KZ-Häftlingen. Vor allem junge Juden - rund 12.000 aus Israel und aller Welt - laufen mit. Das ist die laut den Veranstaltern bisher größte Teilnehmerzahl in der 30-jährigen Geschichte des Marsches. Auch 70 Holocaust-Überlebende sowie die israelischen und polnischen Präsidenten Reuven Rivlin und Andrzej Duda nehmen teil.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte die Nominierung der beiden Rapper einen "Freifahrtschein, genauso weiterzumachen". Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte: "Die Künstler wollen mit ihren Texten provozieren, das ist klar. Doch auch für sie sollte gelten, dass diskriminierende oder antisemitische Inhalte nicht zu tolerieren sind. Eine Relativierung des Leidens der Opfer der Schoa ist völlig inakzeptabel und geschmacklos." Die Musiker müssten sich bewusst sein, wie groß ihr Einfluss auf viele junge Menschen sei, und ihrer Verantwortung gerecht werden. "Wenn jedoch ausgerechnet Alben mit solchen Texten für einen Preis wie den Echo nominiert werden, wirkt dies ja geradezu wie ein Freifahrtschein, genauso weiterzumachen. Deshalb ist es höchste Zeit, ein Stoppschild hochzuhalten."

Debatte wird "voraussichtlich auch ein Thema in der Sendung"

Echo 2018 Logo
Ethik-Beirat des Bundesverbands Musikindustrie verteidigt die diesjährige Echo-Nominierung

"In meinem Herzen wallen Empörung und Ärger auf", sagte Daniel Neumann, Geschäftsführer des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Hessen, im Inforadio des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Er finde es skandalös, "dass man mit solchen Texten eine Möglichkeit hat, vor einem so breiten Publikum geehrt zu werden." Die Debatte werde "voraussichtlich auch ein Thema in der Sendung sein", erklärte Echo-Geschäftsführerin Rebecka Heinz inzwischen. In welcher Form, sei noch unklar. Auch ein Live-Auftritt der beiden Rapper ist geplant. 

Der Echo wird in 22 Kategorien mit jeweils fünf Nominierten vergeben. Für die Nominierung sind die Verkaufszahlen der Tonträger entscheidend. Seit vergangenem Jahr fließt in das Ergebnis zu 50 Prozent auch das Votum einer rund 500-köpfigen Fachjury ein.

nf/rey (dpa/epd)