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Politik

Der vergessene Jade-Konflikt

DW Gastkommentar Benedict Wermter
Benedict Wermter
5. Juli 2020

Den schönen Steinen sieht niemand an, unter welchen Bedingungen sie gewonnen werden. Doch ein Erdrutsch mit vielen Toten rückt ein ganzes Bündel von Problemen im Norden Myanmars in den Blick, meint Benedict Wermter.

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Myanmar Mindestens 110 Tote nach Erdrutsch in Bergwerk
In strömendem Regen werden erste Leichen nach dem Erdrusch in der Jade-Mine bei Hpakant abtransportiertBild: Reuters/MYANMAR FIRE SERVICES

Am Donnerstag sind bei einer Schuttlawine in einer Jade-Mine über 160 Bergmänner verschüttet worden - soviel ist bisher bekannt. Wegen starker Regenfälle musste die Feuerwehr die Sucharbeiten im Norden Myanmars zwischenzeitlich unterbrechen.

Immer wieder rutschen Schuttberge in diesen Minen ab, in denen oft zeitgleich zehntausende Wanderarbeiter nach wertvollen Jadebrocken aus dem industriellen Abbau suchen. Massive Erdrutsche mit derart vielen Todesopfern sind zum Glück eher selten, und so rückt das Thema nicht oft in den internationalen Fokus. Die tödlichen Lawinen sind immer nur so etwas wie die Spitze des Jadebergs.

Ein schleichender Genozid und die Geschäfte der Warlords

Verstrickt in den Jade-Abbau sind Drogenbarone und Warlords, protegiert vom burmesischen Militär, den Tatmadaw. Die Tatmadaw kämpfen im Norden Myanmars mit der Ethnie der Kachin um die Minen, um ihren korrupten Generälen Anteile am Geschäft mit den Schmucksteinen zu sichern, die vor allem nach China verkauft werden. Hunderttausende Kachin sind geflohen, der Konflikt wurde schon als "Slow Genocide" bezeichnet, als schleichender Genozid.

DW Gastkommentar Benedict Wermter
DW-Autor Benedict WermterBild: Privat

Hunderttausende junge Männer wiederum strömen hinein in die Region, zu denen wohl auch die Opfer des aktuellen Erdrutschs gehörten. Sie heißen Yemasay und suchen wie im Jade-Rausch nachts auf den Schuttbergen des industriellen Abbaus nach "Rockstones" - so werden die Jadesteine genannt, die erst nach dem Öffnen ihren Wert zeigen. Häufig spritzen sich diese illegalen Bergleute Heroin oder rauchen Amphetamine, die sie von Offiziellen der Minen beziehen können. Rund um die Minen von Hpakant ist vor allem auch deswegen ein HIV-Epidemie ausgebrochen.

Die burmesische Regierung unter Aung San Suu Kyi hatte zu Beginn ihrer Amtszeit stärkere Kontrollen rund um das Geschäft mit den wertvollen Steinen angekündigt. Was aber will die Regierung kontrollieren? Tatsächlich lässt sich mit einem Open-Source Projekt jetzt nachvollziehen, welche Mine welchem Unternehmen, General oder Milizenführer gehört. Der Einfluss auf die Industrie ist aber gering, und die Arbeitsbedingungen für die illegalen Bergmänner ändern sich dadurch nicht. Sie brauchen vielmehr versicherte, gut bezahlte und technisch moderne Jobs, anstatt zugedröhnt nachts in Steinhalden zu wühlen.

Die Welt blickt allein auf die Rohingya

Kontrollen und Ermittlungen sind in Myanmar zumeist eine Farce. Viel zu eng ist die Regierung um Aung San Suu Kyi noch immer mit dem Militär verwoben. Da hilft es sicher nicht, dass die Weltöffentlichkeit seit Jahren vor allem auf die Vertreibung der Rohingya blickt - freilich ein grausamer Konflikt - und die Gefechte und Epidemien im Norden des Landes ignoriert. Viel zu selten rücken die anderen Brandherde in Myanmar in den Fokus, die das Land und die gesamte Region destabilisieren. Es braucht wohl noch ein paar Erdrutsche mehr, bis wir uns für den Jade-Konflikt interessieren.