Weine nicht um Warschau
Man hat den Eindruck, die polnische Regierung will die EU-Kommission austesten. Die Brüsseler Behörde ist berühmt-berüchtigt dafür, Grundsätze in großen Worten anzumahnen, ihnen aber keine Taten folgen zu lassen. Im sogenannten Rechtstaatlichkeits-Verfahren gegenüber Polen jedoch zeigt sie jetzt Zähne.
Gestritten wird seit Anfang des Jahres um die faktische Aushebelung des polnischen Verfassungsgerichtes durch die neue Regierung. Der PIS Partei gefällt die Zusammensetzung des Gerichtes nicht, sie will seine Unabhängigkeit beschneiden und blockiert dessen Urteile. Das verstößt gegen die Grundregeln der Demokratie und damit gegen die Grundlagen der Europäischen Union. Daran gibt es nichts zu deuteln. Wenn eine neu gewählte Regierung sich ein ihr genehmes Verfassungsgericht maßschneidern will, dann betreibt sie keinen Rechts- sondern einen Willkürstaat.
Warschauer Lockrufe
Warschau hat nichts ausgelassen, um den zuständigen EU Kommissar bei diesem Streit am Ring durch die Manege zu ziehen. Noch vor zwei Tagen waren plötzlich Friedenssignale aus Warschau gekommen: Eine Einigung sei möglich, ja erwünscht. Also reiste der Vertreter aus Brüssel erneut zu einem Treffen mit der polnischen Ministerpräsidentin. Allerdings gab es dann doch kein akzeptables Kompromissangebot. Das Ganze war nur eine Finte.
Die politische Begleitmusik zu diesem Machtkampf zwischen Warschau und Brüssel war ohrenbetäubend: In ihrer jüngsten Rede vor dem polnischen Parlament erwähnte Regierungschefin Beata Szydla über zwanzigmal das Wort "Souveränität". Auch sprach sie von Brüsseler "Diktaten", "Ultimaten" und dem "Selbstbestimmungsrecht der Nationen". Gekrönt wurde der Erguss durch ein paar Schöpflöffel "zivilisatorisches Erbe und nationale Identität". Das ganze rhetorische Getöse diente dabei keinem anderen Zweck, als einer großen zivilisatorischen Errungenschaft, nämlich der Unabhängigkeit der Justiz, den Garaus zu machen.
Polen hat Pflichten in der EU
Der Höhepunkt der Anschuldigungen gegen Brüssel war die Behauptung, Polen werde durch die EU irgendwie getäuscht, weil es vor zwölf Jahren bei der Unterzeichnung der Verträge das Rechtsstaatlichkeitsverfahren noch nicht gab. Von allen schwachsinnigen Argumenten ist dies eins der dümmsten. Denn natürlich gab es schon immer die Verpflichtung, die demokratischen Grundsätze der Europäischen Union zu achten. Und nur darum geht es hier.
Hier noch einmal zum Mitschreiben: Die EU ist keine Hauptkasse für Mitgliedsländer, die sich ansonsten um ihre Ziele und Prinzipien einen Teufel scheren. Sie ist vor allem keine Zahlstelle für Regierungen, die autokratische Machtausübung anstreben. Das schließen die Regeln dieses Vereins grundsätzlich aus. Und wer den Beitrittsvertrag unterschrieben hat, ist daran gebunden. Wem das nicht mehr gefällt, der kann aus dem Club austreten. Die Regierung in Warschau kann darüber ganz souverän entscheiden.