Zumindest wer selbst Kinder hat, konnte über den heute vor dem Bundesgerichtshof letztinstanzlich beschiedenen Streitfall nur den Kopf schütteln. Eine 15-Jährige stirbt unter ungeklärten Umständen, ein Suizid ist nicht auszuschließen. Und natürlich wollen die Eltern herausfinden, was passiert ist. War das Kind verzweifelt? Wurde es gemobbt? In der analogen Welt ist es kein Problem, die Briefe oder Tagebücher der Verstorbenen zu lesen, um Antwort auf diese quälenden Fragen zu finden. Aber in den Sozialen Medien stehen dem einige abstrakte Hindernisse im Weg: Zugangsdaten, das Fernmeldegeheimnis und nicht zuletzt die seitenlangen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) der jeweiligen Unternehmen.
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat entschieden, dass die Eltern Zugang zum Facebook-Konto der toten Tochter erhalten. Es ist erst einmal eine Einzelfall-Entscheidung, aber eine, die materielle Briefe, Tagebücher und virtuelle Konten sozialer Netzwerke vergleichbar macht.
Im Jahr 2018 ist das eine überfällige Entscheidung. Doch es ist eine, die Fragen aufwirft. Was ist, wenn tatsächlich Mobbing im Spiel war? Oder die Jugendliche in einer von diesen unseligen Foren zum Suizid animiert wurde? Am Ende gar von einem Freund oder einer Freundin? Helfen solche Informationen, die Trauer zu verarbeiten oder reißen sie neue Wunden auf? Alles Fragen, auf die die Justiz keine Antwort geben kann.
Unsere Daten überleben uns
Auch wenn hier ein dramatischer Einzelfall verhandelt wurde - in seiner Grundsätzlichkeit geht uns das Urteil alle an: Denn wenn wir sterben, werden haufenweise Daten von uns überleben. Es sind Texte, Fotos, Videos auf Facebook, WhatsApp, Email-Konten, in Online-Foren oder Cloud-Speichern. Darunter befindet sich eventuell auch die eine oder andere intime Information, von der wir unter keinen Umständen wollen, das sie gegenüber unseren Erben öffentlich wird. Oder, positiv betrachtet: Vielleicht liegt sogar ein kleines Bitcoin-Vermögen auf irgendwelchen Servern, auf welches die Erben keinen Zugriff haben.
Wenn wir darüber nicht die Kontrolle verlieren wollen, müssen wir uns um den digitalen Nachlass kümmern. Hier sind wir selbst gefordert - denn das hundert Jahre alte Erbrecht in Deutschland ist nicht auf die digitale Realität der Jetztzeit ausgelegt. Auch im Tod ist das Internet noch immer Neuland.
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