Wahlkampf mit Flüchtlingen
15. Februar 2016An die Attacken Horst Seehofers gegen Angela Merkel hat sich die Öffentlichkeit schon längst gewöhnt. Inhaltlich mag der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende mitunter ja durchaus richtig liegen, wenn er zum Beispiel das Durcheinander in der Flüchtlingspolitik kritisiert. Im Ton aber vergreift er sich oft und anscheinend gerne. Die Formulierung "Herrschaft des Unrechts" in Bezug auf die aktuellen Zustände in deutschen Landen war der jüngste Tiefpunkt des respektlosen Umgangs zwischen den konservativen Schwesterparteien.
Stünde im Freistaat Bayern am 13. März die Wahl eines neuen Landtags an, wäre Seehofers Entgleisung zwar keinen Deut besser, aber leichter erklärbar: Da sorgt sich einer um seine politische Zukunft. Bayern wählt aber gar nicht, sondern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Seehofer muss sich also nicht notgedrungen auf Kosten Merkels und ihrer CDU profilieren. So gesehen haftet dem Verhalten des CSU-Chefs gegenüber der Kanzlerin etwas Irrationales und fast schon Parteischädigendes an.
Der Ton wird immer rauer, mitunter martialisch
Dort, wo in knapp vier Wochen gewählt wird, gibt es keine CSU. Wer Seehofers Haltung für richtig hält, müsste also die Alternative für Deutschland (AfD) wählen. Die erst vor drei Jahren gegründete Partei hat bei zurückliegenden Landtagswahlen mit dem moderaten Slogan "Einwanderung braucht klare Regeln" geworben. Das war zu einem Zeitpunkt, als noch keine Flüchtlinge in Millionenstärke nach Deutschland kamen. Seit das der Fall ist, können sich die AfD-Frontfrauen Frauke Petry und Beatrix von Storch sogar den Einsatz von Schusswaffen an der Grenze vorstellen. Damit käme man dem Unrechtsstaat dann schon ein Stück näher.
Die aufgerüstete Rhetorik zeigt auf erschreckende Weise, wie gereizt, ja unversöhnlich und mitunter sogar aufhetzend die Stimmung im Lande inzwischen ist. Am Wahlabend des 13. März wird sich allen Umfragen zufolge darüber nur die AfD freuen können. Weil es ihr den erstmaligen Einzug in die Landesparlamente von Stuttgart, Mainz und Magdeburg bescheren wird - wahrscheinlich sogar mit zweistelligen Ergebnissen. Alle Anderen bangen um ihre Macht oder gar den Einzug in den Landtag.
Liberale und Linke heben sich wohltuend ab
Die 2013 erstmals nicht mehr in den Bundestag gewählten Freien Demokraten (FDP) könnten auch bei diesen drei Wahlen an der Fünf-Prozent-Sperrminorität scheitern. Dass sie trotzdem nicht der Versuchung erliegen, in der Flüchtlingsfrage mit schärferen Tönen auf Stimmenfang zu gehen, hebt sie wohltuend von der politischen Konkurrenz ab. Ähnliches gilt für die Linke, die ihre Hoffnungen auf einen zweiten Ministerpräsidenten wahrscheinlich begraben müssen. Dass in Sachsen-Anhalt ein rot-rot-grünes Bündnis nach Thüringer Vorbild geschmiedet werden kann, dürfte am Aufstieg der AfD scheitern.
Sollte es rechnerisch trotzdem möglich sein, wäre noch die SPD zu überzeugen. Dass die sich als Juniorpartnerin ein zweites Mal den Linken unterordnet, darf bezweifelt werden. Dann wohl lieber mit der CDU, auch wenn die SPD sich mit Merkels Partei seit Monaten einen peinlichen Wettkampf um die schlechteste und unglaubwürdigste Flüchtlingspolitik liefert. Dabei liegen die Christdemokraten gerade leicht in Front: mit ihrer inzwischen leicht entschärften Forderung, Flüchtlingen keinen Mindestlohn zu zahlen.
Wenn Grüne über sichere Regionen im Irak und Afghanistan orakeln
Auch die Grünen lassen sich nicht lumpen. Ihr in der Universitätsstadt Tübingen regierender Oberbürgermeister Boris Palmer schwadronierte in einem "Spiegel"-Interview, es sei nicht die Zeit für "Pippi-Langstrumpf- oder Ponyhof-Politik". Klingt lustig, ist aber in der heißen Wahlkampf-Phase alles andere als Ausdruck eines kühlen Kopfes. Vielleicht träumt der 43-Jährige ja davon, mittelfristig seinen Parteifreund Winfried Kretschmann als Regierungschef in Baden-Württemberg zu beerben. Der 67-Jährige ist seit 2011 erster grüner Ministerpräsident in einem deutschen Bundesland.
Von Palmer stammen noch weitere, für einen Grünen erstaunliche Aussagen zum Thema Flüchtlinge. Etwa, dass das Leben im Irak und in Afghanistan "hart und nach unseren Maßstäben auch riskant" sei. Es gebe aber auch im Irak "weite Gebiete, die nicht vom 'Islamischen Staat' beherrscht werden". Weshalb Menschen nach der Genfer Flüchtlingskonvention zuerst in solche Gebiete flüchten müssten. Die AfD sollte sich bei Palmer für diese Wahlkampfhilfe bedanken. Besser und zynischer hätte sie es auch nicht formulieren können. Die Quittung gibt es am 13. März. Bei den Rechtspopulisten ist der Sekt schon kalt gestellt.
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