Es war der große Traum des Martin Winterkorn: Die Nummer Eins der Welt zu werden. Bis spätestens 2018 sollte dieser Traum Wirklichkeit werden. "Strategie 2018" - so hieß der Plan. Martin Winterkorn ist seit dem Auffliegen des Dieselskandals im vergangenen Herbst der bestbezahlte Pensionär von VW. Sein Plan seit heute Makulatur.
Der neue Plan heißt "Strategie 2025", und weil er zeigen will, dass er ein Teamplayer ist, hat der neue VW-Konzernchef Matthias Müller noch ein "Together", also "Gemeinsam" davor gesetzt. Der neue Mann, der neue Plan, die neuen Ziele: Es soll so ziemlich alles anders werden in Wolfsburg und an all den anderen über die ganze Welt verteilten Standorten und in der großen Markenwelt des Konzerns.
Neue Ziele
Unter Winterkorn war die Devise: Schneller, höher, weiter. Es war die reine Gigantomanie und über allem thronte der Autokrat Winterkorn. Der Mann, der jedes Spaltmaß kannte. Der Technikbessene, der aber nie nachgefragt haben will, wieso die "Drecksdiesel" in Amerika plötzlich die Vorgaben erfüllen konnten.
Seit einem dreiviertel Jahr nun sitzt Matthias Müller auf dem Chefsessel, er, der zuvor die VW-Tochter Porsche führte. Seine Devise: Struktur, Kultur, Effizienz. Müller ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Er muss den Karren aus dem Dieselsumpf ziehen, er muss das Vertrauen der Kunden zurück gewinnen - und ganz nebenbei ein Unternehmen mit 600.000 Mitarbeitern und 200 Milliarden Euro Umsatz in ein neues Zeitalter führen. Denn dass die Autobauer dieser Welt vor einer Revolution stehen, das hatte auch schon Martin Winterkorn erkannt.
Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Es ist ein Spagat, und was für einer: Der Umbau hin zu einem Mobilitäts-Dienstleister mit eigener Autoproduktion. Der bis 2025 - das sind gerade mal neun Jahre - ein Viertel seiner Autos mit Elektroantrieb bauen will. Den aber die Sünden des Skandals noch lange, sehr lange verfolgen werden. Der noch Milliardenstrafen wird zahlen müssen und Millionen Schummeldiesel reparieren muss: Die dunkle Vergangenheit und eine womöglich strahlende Zukunft lagen wohl noch nie in der Geschichte eines Unternehmens so dicht beieinander.
Und es gibt keine Garantie, dass der Umbau gelingt. Wer ein Viertel seiner Produktion auf Elektroantriebe umstellen will, der braucht ein Viertel weniger Verbrennungsmotoren, ein Viertel weniger Getriebe und Antriebsachsen. Aber er braucht eine Menge große Batterien und andere Komponenten, die ein Elektroauto so benötigt. Da müssen Werke komplett neu gebaut oder umorganisiert werden, Produktionsprozesse neu erdacht und umgesetzt werden. All das soll gelingen, in dem die zentralistischen Auswüchse a lá Winterkorn der Vergangenheit angehören sollen. Mehr Verantwortung bei den Marken und in den Regionen.
Die Zeiten, da man sich in Wolfsburg ausdachte, welche Autos den Amerikanern zu gefallen haben, sind vorbei.
Es bleibt spannend in Wolfsburg
Das alles ist nicht ohne Risiko. Noch ist nicht gesagt, dass Elektroautos den Durchbruch schaffen werden. Die Ökobilanz heutiger E-Flitzer ist jedenfalls bescheiden. Noch ist nicht gesagt, dass der angestrebte Kulturwandel gelingt. Das haben schon ganz andere versucht und sind damit gescheitert. Und noch ist nicht gesagt, dass Volkswagen den Umbau finanziell durchsteht. Denn der Weg in die neue Autowelt ist sehr teuer, so hat es der VW-Chef selbst gesagt. Und hinzugefügt: Finanziert werden muss er mit den Einnahmen aus der alten Welt. Um die Einnahmen aber ist es im Moment nicht wirklich gut bestellt.
Sollte Volkswagen trotz aller Bedenken in ein paar Jahren der führende Hersteller von Elektroautos sein, werden sie in Wolfsburg sagen: Da hatte der Dieselskandal doch noch was Gutes. Es bleibt jedenfalls spannend, wie lange die "Strategie 2025" Bestand haben wird.
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