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TTIP reloaded

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Henrik Böhme
6. Juli 2018

Keine Zölle mehr auf Autos im transatlantischen Handel - das klingt nach einer prima Idee! Aber ob Donald Trump das wirklich so gut findet? Und einfach so funktionieren würde es auch nicht, meint Henrik Böhme.

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Deutschland | zur Verschiffung bereite BMW-Neufahrzeuge
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Es ist ja immer gut, wenn jemand in einer festgefahrenen Situation einen scheinbar verrückten Gedanken hat. Wer die neueste Idee zur Lösung des verflixten Handelsstreits hatte, lässt sich gar nicht mehr so ganz genau rekonstruieren. Aber das ist eigentlich egal, denn die Idee ist überhaupt nicht neu: Null Importzölle auf Autos, die aus den USA in die Europäische Union importiert werden - und umgekehrt. Dazu die Abschaffung sogenannter "nichttarifärer" Handelshemmnisse, wie beispielsweise Vorschriften über die Farbe von Rücklichtern oder die Größe von Rückspiegeln.

Wer sich ein wenig auskennt, dem dürfte das bekannt vorkommen: Exakt so stand diese Idee auch im Entwurf des geplanten Freihandelsabkommens namens TTIP, das die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Amerika auf eine neue Stufe heben sollte. Es gibt verschiedene Gründe, warum TTIP am Ende nicht zustande kam. Dem kann man nachtrauern oder nicht. Aber wenn nun wenigstens diese doch vernünftige Idee wieder das Licht der Welt erblickt: Gut so!

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Die Geschichte einer Idee

Allein die Umstände dieser Wiedergeburt jedoch müssen nachdenklich machen. Vor gut zwei Wochen hatte das "Wall Street Journal" darüber berichtet, dass der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, sich für die komplette Abschaffung der Zölle auf Autos im transatlantischen Handel einsetzt. Für diesen Vorschlag, den er damals mit nach Washington genommen hatte, habe er sich auch Rückendeckung bei den Chefs der deutschen Autobauer geholt. Auch die Bundesregierung unterstütze die Initiative, hieß es seinerzeit.

Nun, exakt zwei Wochen später, ein nahezu inhaltsgleicher Artikel im deutschen "Handelsblatt". Einziger Unterschied: Der Aufhänger der Geschichte ist nun ein Geheimtreffen zwischen Grenell und den deutschen Autobossen am gestrigen Mittwoch. Dort habe Grenell den Vorschlag mit den Nullzöllen, der mittlerweile ein Vorschlag der US-Regierung sei, unterbreitet. Bundesregierung und Kanzleramt seien über das Angebot informiert. Interessant das alles. Aber kann das auch funktionieren? Nein, kann es nicht.

Zwar kann der US-Botschafter, dem Vernehmen nach ein Fan deutscher Autos, gerne deutsche Autobosse einladen. Die jammern ja gerade ziemlich herum, dass sie im Kanzleramt nicht mehr vorgelassen werden und höchstens noch vom Bundesverkehrsminister zum Rapport nach Berlin einbestellt werden. Da freut man sich doch über jede andere Art der Wertschätzung im politischen Raum. Aber sonst? In welchem rechtlichen Rahmen sollen die Zölle abgeschafft werden? Im Rahmen eines Freihandelsabkommens ginge das sicherlich. Aber TTIP ist so weit weg von einer möglichen Umsetzung, wie die deutschen Autobauer von einer Hardware-Nachrüstung bei Dieselautos.

Die Dinge bleiben kompliziert

Aber selbst angenommen, man würde es mit irgendeinem Trick schaffen (die Rede ist von einem Industriezoll-Abkommen): Stehen dann nicht sofort die asiatischen Autobauer auf der Matte und pochen ebenfalls auf eine Zoll-Befreiung für ihre Autos? Und warum sollte der US-Präsident dieses Mal weich werden? Ein solches Abkommen über Nullzölle auf Industriegüter hatte ihm die EU schon im Mai unterbreitet, um die Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhindern. Schon da hatte Mr. President "No" gesagt.

Ende Juli plant der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Reise nach Washington, da wird es mit Sicherheit auch um das Thema Handel gehen. Bloß: In ebendieser Frage ist die Europäische Union (wie in vielen anderen Fragen auch) nicht einig. Denn so sehr die Bundesregierung die Auto-Strafzölle unbedingt verhindern will - Frankreichs Präsident fährt ganz anderen Kurs: Er gibt lieber den Unbeugsamen und will gar keinen Deal mit den USA. Weil es dann nämlich auch um Agrarprodukte gehen müsste - und er geradezu zwangsläufig Frankreichs Bauern gegen sich aufbringen würde.   

Zum Schluss noch eine schlechte Nachricht für alle Cadillac- und Dodge-Fans in Deutschland: Selbst wenn Nullzölle kämen - billiger würden die US-Schlitten hier nicht. Weil durch die anderen Strafzölle - zum Beispiel für das Blech und viele Bauteile - die Wagen grundsätzlich teurer werden. So bleibt richtig, was die Experten predigen: In einem Handelskrieg gibt es nur Verlierer.

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58