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Politik

Trump, der Anti-Obama für Afrika

13. November 2016

Afrikas Analysten rätseln. Donald Trumps Twitter-Lawinen und Wahlkampf-Aggressionen lösen Horrorvisionen aus, enthalten aber kaum belastbare Indikatoren für die gemeinsame Zukunft, kommentiert Claus Stäcker.

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Tansania US Wahlen PR Aktion
Bild: Getty Images/AFP/D. Hayduk

Afrika fand bei Donald Trump bisher kaum statt, und wenn, dann ausschließlich in negativer Konnotation. Nigerias Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka will am 20. Januar seine Green Card zerreißen und in die Heimat zurückkehren, so fassungslos ist er. Trump schürte Ängste und negative Stimmungen, bei Sachthemen aber - wie Sicherheit und Antiterrorkampf - stand der künftige US-Präsident oft in nur einer Rede auf zwei  verschiedenen Seiten. Wertet man das verworrene Trump-Konvolut als Programm, liest es sich wie ein 10-Punkte-Plan zur Degradierung Afrikas.

1)   Afrikanische Unternehmen müssen mit US-Einfuhrzöllen rechnen - Bisher können nach dem Handelsabkommen AGOA (African Growth and Opportunity Act) fast 5.000 afrikanische Produkte aus 38 Ländern zollfrei in die USA eingeführt werden.

2)   Den fragilen Zivilgesellschaften Afrikas droht eine erhebliche Schwächung, wenn sich ihre bisher sehr aktiven amerikanischen Förderer beschränken oder zurückziehen.

3)   Der Fokus ‚America First‘ heißt im Umkehrschluss, Afrikas Autokraten geraten aus dem Blickwinkel Washingtons und können noch ungenierter „durchregieren". 

4)   Minderheiten, insbesondere Afrikas LGBT-Community, verlieren mit den USA ihren wahrscheinlich wichtigsten Alliierten in der Welt.

5)   Gemäßigte Muslime geraten in noch größere Bedrängnis ihrer radikalisierten Glaubensbrüder, wenn der neue US-Präsident sie weiterhin pauschal verunglimpft.

Stäcker Claus Kommentarbild App
Claus Stäcker, Leiter der DW-Afrika Abteilung

6)   Die Sicherheitslage an den Frontlinien zu den islamistischen Terrormilizen in West- und Ostafrika könnte sich durch die Ausweitung von Drohneneinsätzen verschärfen und zu einer weiteren Radikalisierung führen.    

7)   Der Kurswechsel in der Klimapolitik würde Afrika - als nachweislich meistbetroffener Kontinent -  zurückwerfen.

8)   Afrikas Gesundheitssektor – mit dem von George W. Bush aufgelegten präsidialen AIDS-Programm PEPFAR an der Spitze - muss um milliardenschwere Zuwendungen fürchten, die in den vergangenen Jahren erhebliche Verbesserungen in der Grundversorgung und Forschung bewirkt haben.

9)   Barack Obama's ambitioniertes Energie-Programm „Power Africa” steht auf der Kippe. 

10)  Für Hunderttausende Afrikaner, die auf ein Studium in den USA hoffen, platzt der Amerikanische Traum - sowohl die auf 35 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzten Überweisungen der Afro-Diaspora als auch der Bildungsinput afrikanischstämmiger Forscher und Experten sind in Gefahr.

Kein Wunder, dass Autokraten wie Yoweri Museveni (Uganda), Pierre Nkurunziza (Burundi) oder Paul Kagame (Ruanda) zu den ersten Trump-Gratulanten gehörten. Sie hoffen, nun nicht mehr wie von Amtsinhaber Barack Obama öffentlichkeitswirksam an ihre Amtspflichten und Verfassungsschwüre erinnert zu werden. Obama hatte dank seiner DNA und authentischen Rhetorik afrikaweit eine fast messianische Erwartungshaltung erzeugt. Er konnte sie, oft blockiert vom Repräsentantenhaus, nicht annähernd erfüllen. Sogar sein republikanischer Vorgänger George W. Bush erreichte am Ende mehr in Afrika als der Afroamerikaner Obama.

Trump aber ist der fleischgewordene Anti-Obama. Er kann sich nicht aus jedem Globalabkommen stehlen, so sehr er auch poltert. Er kann nicht jedes Programm und jeden Handelsvertrag stoppen, ohne auch die US-Wirtschaft zu schädigen. Aber dennoch wird Afrika einen vermutlich heftigen Gegenwind verspüren und weniger Einfluss in UNO, Weltbank und IWF haben. Handelsnachteile, Reduzierung der Entwicklungshilfe, globales Desinteresse. Erstaunlich gelassen, diplomatisch, und im Netz auch überaus humorvoll hat der Kontinent auf die unerwartete Weltenwende reagiert.

Im afrikanischen Erfahrungshorizont ist nie etwas so schlimm als dass es nicht noch schlimmer kommen könnte. Und: Die amerikanische Wende, der eine europäische vielleicht bald folgt, könnte die Selbstbesinnung Afrikas beschleunigen. Her mit dem innerafrikanischen Handel, weg mit den Zöllen und Bewegungseinschränkungen - her mit dem eigenen Wertegerüst - das die Afrikanische Union zwar immer postuliert, ihre Mitgliedsstaaten aber bis heute kaum in die Praxis umsetzen.  

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