Terrorgefahr - Das Spiel mit der Angst
22. März 2015Das war wieder so eine Woche, an der kaum ein Tag ohne neue Vorstöße in Sachen Sicherheit verging. Bei genauem Hinschauen stellen sich die meisten als alte Hüte heraus.
Montag diskutierte das politische Berlin gefühlt zum hundertsten Mal das Thema Vorratsdatenspeicherung. Auslöser war Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der sich plötzlich als Fan der verdachtsunabhängigen Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungen outete. Damit fiel er seinem Parteifreund Heiko Maas in den Rücken. Der Justizminister hat sich lange erfolgreich gegen den Druck Innenministeriums gewehrt. Dessen Chef Thomas de Maizière (CDU) drängt seit Langem auf einen neuen Anlauf bei der Vorratsdatenspeicherung.
Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hat diesen massiven Eingriff in die Privatsphäre schon 2010 gekippt. Im vergangenen Jahr verurteilte der Europäische Gerichtshof die entsprechende EU-Richtlinie als unzulässigen Eingriff in die Grundrechte. Das Thema ist rechtlich also weitestgehend ausgereizt. Beide Gerichte haben in ihren Urteilsbegründungen deutlich gemacht, dass sie sich eine neu verfasste Vorratsdatenspeicherung nur in sehr engen Grenzen vorstellen können. Es gibt aber auch einen anderen Grund, die Finger davon zu lassen: In der Praxis hat sich das vermeintlich scharfe Schwert im Anti-Terror-Kampf nämlich als vollkommen stumpf erwiesen. Nachweislich hätte kein einziges Attentat der vergangenen Monate verhindert werden können.
Dienstag präsentierte der Innenminister kurzfristig eine lange Liste mit weiteren Maßnahmen zur Terrorbekämpfung. Knapp 330 Millionen Euro will de Maizière in 750 neue Stellen investieren. Profitieren sollen das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und der Verfassungsschutz. Die Behörden werden sich darüber freuen. Welche konkreten Aufgaben mit dem Geldsegen erfüllt werden sollen, darüber erfährt die Öffentlichkeit zunächst nichts. Dabei wäre eine beispielhafte Stellenbeschreibung durchaus geeignet, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken. Nackte Zahlen allein können es jedenfalls nicht.
Mittwoch debattierte der Bundestag in einer Aktuellen Stunde über die Vorratsdatenspeicherung. Neue Argumente wurden dabei keine bekannt. Es gibt ja auch keine.
Donnerstag wurde es dann endlich mal konkret. Der Bundestag verabschiedete neue Gesetze. Allerdings haben sie ursächlich nichts mit islamistischem Terror zu tun, sondern mit dem von Rechtsextremisten. Infolge der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) wurden die Kompetenzen des Generalbundesanwalts erweitert. Außerdem sollen rassistisch motivierte Verbrechen stärker bestraft werden können.
Freitag war dann wieder ganz grundsätzlich und allgemein der Terrorbekämpfung gewidmet. Zunächst meldeten einzelne Medien, der Innenminister plane eine neue Anti-Terror-Einheit. Die Hoffnung, in der Regierungs-Pressekonferenz Einzelheiten zu erfahren, blieb unerfüllt. Ja, es gebe Überlegungen. Punkt, aus! Bei so viel unerklärlicher Verschwiegenheit sei an dieser Stelle daran erinnert, dass Deutschland bereits seit 1972 über eine Antiterroreinheit des Bundes verfügt: die GSG 9. Das Pendant auf Länderebene sind die Spezialeinsatzkommandos (SEK). Diese Kräfte sind kampferprobt und haben sich ganz überwiegend bewährt. Es gibt also nicht den geringsten Grund, über eine neue Einheit nachzudenken.
Vielleicht ist die Erklärung aber ein ganz einfache. Die GSG 9 erhält einen Großteil der am Dienstag angekündigten zusätzlichen Gelder und damit mehr Personal. Das wäre auch einer skeptischen Öffentlichkeit in Zeiten des internationalen Terrorismus vermittelbar und stieße auf große Zustimmung. Warten wir mal ab, was die neue Woche bringt. Hoffentlich schlägt nicht wieder irgendjemand vor, die Bundeswehr im Anti-Terrorkampf auch im Inland einzusetzen. Das wäre nämlich verfassungswidrig.