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"Terror - Ihr Urteil" - ein beängstigender Fernsehabend

18. Oktober 2016

"Nicht schuldig" befanden die Zuschauer des Fernsehfilms "Terror - Ihr Urteil". Freispruch für einen Bundeswehrpiloten, der ein vollbesetztes Passagierflugzeug abschoss? Das kann nicht sein, meint Stefan Dege.

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Filmstill ARD TV Terror - Ihr Urteil der Richter befragt die Zuschauer
Der Richter befragte das TV-Publikum und sprach nach dessen Abstimmung sein UrteilBild: ARD Degeto/Moovie GmbH/Julia Ter

Ein echter Straßenfeger war die Verfilmung des Theaterstücks des Juristen Ferdinand von Schirach. Die Story: Lars Koch, Major der Luftwaffe, schießt eine von Terroristen entführte Lufthansa-Maschine vom Himmel. Er verhindert so, dass sie möglicherweise in ein ausverkauftes Fußballstadion gelenkt wird. Aber lassen sich 164 Menschenleben gegen 70.000 aufwiegen? Ja, meinten bald 90 Prozent der deutschen, österreichischen und Schweizer Zuschauer. Ihre Meinung in Ehren. Aber wir sollten sie schnell vergessen!

Streitpunkt "übergesetzlicher Notstand"

Der Film inszeniert den Gerichtsprozess. Da wird angeklagt, verteidigt, plädiert. Der Bundeswehrpilot beruft sich auf einen "übergesetzlichen Notstand". Das Argument wiegt schwer. Worauf sonst hätten sich die Widerständler im Dritten Reich oder in der SED-Diktatur berufen sollen? Das Luftsicherheitsgesetz von 2005 kommt zur Sprache, das in einer solchen Lage den Abschuss eines Passagierflugzeugs erlaubt hätte. Doch nach einer Verfassungsbeschwerde der FDP-Politiker Burkhard Hirsch und Gerhart Baum hatte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz 2006 wieder kassiert. Gott sei Dank!

Dege Stefan Kommentarbild App
DW-Kulturredakteur Stefan Dege

Dürfte man einen Menschen opfern, um drei andere zu heilen? Um dem einen ein neues Herz, dem nächsten eine Niere, dem dritten eine Leber zu verschaffen? Aus gutem Grund ist das in Deutschland verboten. Es wäre ebenso unethisch wie die Opferung von mehr als 100 Flugpassagieren, um tausende Stadionbesucher zu retten. Juristisch ist der (Fernseh-)Fall klar: Ein Pilot darf nicht abwägen. Kann nicht Leben gegen Leben rechnen. Sonst schießt er die Verfassung vom Himmel.

Denn unsere Würde als Mensch bleibt unantastbar, auch in Krisensituationen. Das haben die Zuschauer wohl vergessen, als sie sich zum Gegenrechnen verleiten ließen. Die Verlockung war groß, ein Urteil zu fällen und Volksjustiz zu üben. Ein großer Fehler des Fernseh-Experiments war nämlich, dass es die Volksmeinung zum Urteil ummünzte.

Keine Abstimmung über Grundgesetz und Grundrechte

So entstand der absurde Eindruck, als würde über die Verfassung abgestimmt und als wäre es möglich, dass ein deutsches Gericht verfassungswidrig urteilt. Erschreckend ist die große Zahl der Menschen, die das offenbar nicht wussten - oder geflissentlich übersahen. In Zeiten wachsender Terrorismusangst muss solche Haltung erschrecken. Wer weiß, welche Grundrechte eines Tages zur Disposition stehen? Beängstigend, dieser Fernsehabend!

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