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Politik

Sigmar Gabriel - Das letzte "political animal"

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Jens Thurau
27. Dezember 2017

Zollunion mit der Türkei? Kritik an der Union? Lob für Martin Schulz? Nicht einmal zwischen den Jahren kann der amtierende Außenminister still sitzen. Sigmar Gabriel hat offenbar noch viel vor, meint Jens Thurau.

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Deutschland Sigmar Gabriel auf dem Bundesparteitag der SPD
Bild: picture alliance/dpa/B. v. Jutrczenka

Es wäre sehr verständlich, wenn Deutschlands Politiker zwischen den Jahren mal so richtig abschalten. Was war das für ein Jahr! Donald Trump, der Brexit, die AfD.  Streit mit Polen. Streit mit der Türkei, sehr heftiger sogar.  Und immer noch keine neue Regierung, seit mehreren Monaten jetzt schon. Und tatsächlich: Die meisten Politiker schalten ab. Die Kanzlerin, SPD-Chef Martin Schulz, alle auf Tauchstation.

Alle auf Tauchstation? Einer nicht…

Einer nicht: Sigmar Gabriel, der Ex-SPD-Chef, der amtierende Außenminister. Das "nur amtierende" merkt man ihm kaum an. Kurz vor Weihnachten besucht er die deutschen Soldaten in Afghanistan, obwohl die dafür zuständige Verteidigungsministerin am Tag zuvor schon da war. Und schreibt Essays über die Lage der SPD ("positiv mit dem Begriff Heimat umgehen"), schlägt in Interviews eine enge Zusammenarbeit der Europäer mit strittigen Staaten wie der Ukraine und der Türkei vor (nach dem Vorbild des Brexit-Vertrages, den noch keiner kennt). Und treibt die Preise für eine Große Koalition mit der Union hoch ("Bürgerversicherung und eine andere Europa-Politik sind ein Muss"). Hat der Mann kein Zuhause?

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DW-Hauptstadt-Korrespondent Jens Thurau

Er mag seinen Job einfach

Doch, hat er, in Goslar im Harz. Aber er bleibt, was er ist: Das letzte große "political animal" der deutschen Politik. Einen Moment lang, kurz nach der Wahl, sah es so aus, als sei seine große Zeit endgültig vorbei. Die SPD wollte mit der Regierungsbildung nach der historischen Niederlage nichts zu tun haben. Da grummelte es schon in Gabriel, der erkennbar gerne Außenminister war und ist. Aber dann scheiterten die Jamaika-Gespräche. Und jetzt, wo eine Große Koalition doch wieder sehr wahrscheinlich ist, lässt Gabriel nichts unversucht, um sich im Gespräch zu halten. Soll ja keiner auf die Idee kommen, ihn am Ende als Außenminister abzulösen, wenn die Große Koalition weiter macht. Ergebnis: Gabriel ist beliebt wie nie, die SPD, seine Partei, fällt in den neusten Umfragen auf 19 Prozent.

Gabriel weiß doch, wer die SPD retten kann: Gabriel natürlich…

Schon klar: Nur einer Kämpfernatur wie ihm selbst traut Gabriel zu, das Überleben seiner Sozialdemokraten nach weiteren Jahren an der Seite von Angela Merkel zu sichern. Martin Schulz, der Parteichef und Wahlverlierer, wird auch mit ein paar tröstenden Worten bedacht, aber die eigentliche Botschaft ist: Ich bin da, ihr kommt nicht an mir vorbei.

...und es würde uns etwas fehlen.

Als er im Frühjahr den SPD-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur aufgab und das Außenamt übernahm, hat er ernsthaft mittgeteilt, nun werde er wohl mehr Zeit für die Familie haben. Da lachte das politische Berlin herzlich. Abgenommen haben wir es ihm eh nicht. Und mal unter uns und ganz ehrlich: Es würde uns auch etwas fehlen ohne den unterhaltsamsten Spitzenpolitiker, den Deutschland gerade zu bieten hat.  

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